Für die weltweite Christenheit ist das Jahr 2025 ein Jubiläumsjahr von kaum zu überschätzender Bedeutung. Wie Heinrich Bedford-Strohm in seinem Geleitwort zum vorliegenden Sammelband schreibt, gibt es freilich „wenige kirchengeschichtliche Ereignisse und daraus hervorgegangene Texte, bei denen die Differenz zwischen ihrer bis heute prägenden kirchengeschichtlichen Bedeutung und ihrer Verwurzelung im allgemeinen Bewusstsein so groß“ ist wie im Fall des 325 feierlich verabschiedeten und 381 in seinem dritten Abschnitt erweiterten Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses. Es steht zu erwarten, dass die geplanten Gedenkveranstaltungen und wissenschaftlichen Symposien zur 1 700-Jahrfeier selbst in den Kirchen und in Theologenkreisen eher als Pflichtübung denn als Großereignis mit Schubkraft für das Christentum im dritten Jahrtausend gesehen werden. Dem möchte der vorliegende Band entgegenwirken.
Bis heute ist das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel das einzige ökumenische Glaubensbekenntnis, während das im Westen gebräuchliche Apostolikum in den Kirchen des Ostens weitgehend unbekannt ist und im Gottesdienst keine Verwendung findet. Wahr ist allerdings auch, dass das ökumenische Bekenntnis von 325/381 im Laufe der weiteren Geschichte auch zu einem Symbol der Trennung zwischen Ost- und Westkirche wurde, nachdem die Kirche des lateinischen Westens im Artikel über den Heiligen Geist das von den Kirchen des Ostens scharf verurteilte Filioque eingeführt hatte. Auch Hans-Georg Link spricht in dem von ihm und Josef Wohlmuth herausgegebenen Sammelband von einer „westkirchliche(n) Respektlosigkeit“. Manche Kirchen der westlichen Tradition sind inzwischen zum ursprünglichen Wortlaut des Nizäno-Konstantinopolitanums zurückgekehrt. Ob das anstehende Jubiläum die übrigen westlichen Kirchen veranlassen wird, es der altkatholischen und der Episkopalkirche gleichzutun und das Filioque zu streichen, wird sich weisen.
Mit dem Nizäno-Konstantinopolitanum, das im evangelischen Gottesdienst nur gelegentlich an hohen Festtagen im Kirchenjahr gesprochen wird, tauchen wir in eine Welt ein, die uns in den westlichen Kirchen fremd geworden ist. Heutzutage glauben viele Kirchenmitglieder nicht mehr an einen persönlichen Gott, von der Dreieinigkeit Gottes ganz zu schweigen. Gott ist zum fremden Gast geworden, dessen Fremdheit durch die überkommene Trinitätslehre noch gesteigert wird. Der vorliegende Sammelband versucht, aus der Not eine Tugend zu machen, indem seine durchwegs instruktiven und zu neuer Beschäftigung mit dem altkirchlichen Glaubensbekenntnis anregenden Beiträge auf paradoxe Weise die „attraktive Fremdheit“ des biblisch bezeugten Gottes zu Bewusstsein bringen wollen.
Hervorgegangen ist der Band aus der Arbeit des 1999 gegründeten Altenberger Ökumenischen Arbeitskreises, der auch konkrete Vorschläge zur Vergegenwärtigung des Nizäno-Konstantinopolitanums macht. Heraus kommt eine kirchen- und theologiegeschichtlich wie bibelexegetisch sorgfältige, zugleich aber auch gegenwartsbezogene Auslegung des Glaubensbekenntnisses, deren Lektüre unbedingt zu empfehlen ist.
Besonders hervorgehoben sei das Bemühen um eine Relektüre des Nizäno-Konstantinopolitanums, welche die bleibende Verbindung des christlichen Glaubens mit dem Judentum herausstellt und einen christlichen Antijudaismus zu überwinden versucht. Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass auf dem Konzil zu Nizäa der heute übliche Ostertermin festgelegt wurde und mit der Verwerfung der Praxis der Quartodezimaner, Karfreitag und Ostern zeitgleich zum jüdischen Pessachfest zu feiern, die Abgrenzung gegenüber dem Judentum wirkmächtig verstärkt wurde. Umso erfreulicher ist es, wenn nun heute Möglichkeiten einer anderen Lesart des Nizänums ausgelotet werden.
Ulrich H. J. Körtner
Dr. Ulrich Körtner ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Wien.