Detlef Lienau ist leidenschaftlicher Pilger und leitet seit über zwanzig Jahren Gruppen auf Jakobs- und Franziskuswegen. Er ist nicht nur ein Mann der Praxis mit vielen Erfahrungen, sondern er hat das Pilgern auch historisch, theologisch und phänomenologisch wie kaum ein anderer im deutschsprachigen evangelischen Raum erforscht und reflektiert. Mit seinem 2009 veröffentlichten Buch Sich fremd gehen. Warum Menschen pilgern, geht er dem Kern des Pilgerns nach und beschreibt das Pilgern als Ausschreiten zu Gott, der uns immer schon voraus ist. Mit einer Studie zur religiösen Erfahrung beim Pilgern „Religion auf Reisen“, hat er sich wissenschaftlich mit dem Thema befasst und promoviert. Mit dem hier vorgelegten Büchlein Rucksack packen … geht er die konkrete Gestaltung des Pilgerns an und fragt: „Wie kann Gott im Pilgern Raum gewinnen, wie kann der äußere Weg zum inneren werden?“ Es ist eine zweite, um einige Themen und Texte erweiterte Ausgabe seines 2017 im Brunnenverlag erschienenen Büchleins Das Weite suchen. Pilgern – mit Gott auf dem Weg sein.
Pilgern ist nach wie vor im Trend. Allerdings sind Veränderungen zu beobachten. Pilgern im säkularen Raum wird manchmal zum Eventtourismus mit wenig Tiefgang. Das bloße Gehen auf einem Jakobsweg macht das Wandern noch nicht zum Pilgern. Lienau ist es wichtig, den äußeren und inneren Weg in herausforderndem Pilgern mit biblisch orientierter Spiritualität zu verknüpfen. Mit seinem neuen Buch legt er Besinnungen zum Pilgern vor, die aus der Praxis der geistlichen Gestaltung vieler Pilgerwanderungen hervorgegangen sind und viele Anregungen für Einzelpilger oder Pilgergruppen bieten. Lienau, der Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung Freiburg ist, wünscht sich, dass Menschen es unterwegs zur Hand und zu Herzen nehmen und es so zum spirituellen Pilger-Proviant, zur geistlichen Wegzehrung wird. Hinzu kommen sollten geistliche Anregungen, die, den äußeren Weg begleitend und aufnehmend, innere Prozesse des Hörens auf Gott eröffnen. Weil es dabei hilft, Anregungen nicht nur aus sich selbst zu schöpfen, sondern sich etwas sagen zu lassen, sind diese Besinnungen, auf die man nicht selbst gekommen wäre, so wertvoll.
Als Pilger-Proviant sind sie Schwarzbrot für die Seele, manchmal widerständig und etwas mühsam zum Kauen, aber dafür sättigend und länger vorhaltend. Dabei macht er deutlich, dass es auch beim Einzelpilgern oder in Kleingruppen sinnvoll sein kann, einige Regeln zu beachten und den Pilgertag geistlich zu strukturieren. So sind seine Besinnungen auch aufgebaut: Ein Gebet und Impuls am Morgen vor dem Aufbruch, wenn der Geist noch frisch und frei ist, dann hat die Seele unterwegs etwas zum Kauen. Die meisten Andachten münden in einen „GedankenGang“, Fragen für unterwegs, für die man sich schon bald nach dem Aufbruch, zum Beispiel in der Stille eines Kirchenraumes, Zeit nehmen kann. Und schließlich eine Zeit der Stille am Abend, um den Tag und die Erfahrungen des Weges auf dem Hintergrund des Impulses vom Morgen zu resümieren.
Die Themen der Besinnungen sind vielfältig und ganz unterschiedlich. Mal sind es die Erfahrungen des äußeren Weges, das „Aufbrechen und Loslassen“ oder der „Pilger-Proviant“, die thematisiert werden, mal biblische Geschichten: „Drei Tage mit Jakob“, „Jona: von Gott eingeholt“, „Mit Petrus zu mir“ oder „Grenzgänge – mit Rut unterwegs“ oder die neu hinzugekommenen Abschnitte über Elia und David, die pilgernd meditiert werden können. Auch liturgische Texte, „Biblische Inspirationen“ oder erweiterte Kapitel „Poetisch pilgern“ bieten eine Fülle von Material, die Anregungen für eine kurze Besinnung am Morgen, einen Tagesrückblick am Abend oder einen Gedankengang zwischendrin sein können.
Das kleine handliche Büchlein, leicht genug für unterwegs, ist somit ein unbedingt empfehlenswerter Begleiter, ein „vademecum“ und hilfreiches Brevier, das in keinem Pilgerrucksack fehlen sollte.
Manfred Gerland
Dr. Manfred Gerland ist Pfarrer i.R. in Herleshausen.