Famose Party

Parcels: Live Volume 2

Eingeschrieben, aber nur wegen Versicherung und Semesterticket, stattdessen in einer WG mit den Kollegen und erst mal ein „Bandjahr“ – aus dem bereits ein zweites wurde: viel Proben, nebenher Jobs, Gigs und Videos für Social Media. Kann man machen, ein junger Bekannter tut es. Das Rolemodel ist alt – und klar: Bekanntheit, Fans. Dann Stars?

Bei den Parcels hat es geklappt, ohne Fakestudium. Im High-School-Abschlussjahr in Australien gegründet, zog die Band kurz darauf 2015 nach Berlin, wo die Fünf erst in einer Einraumwohnung hausten. In Berlin sind sie noch immer – und inzwischen eine angesagte Electropop-Rave-Truppe, besonders in Frankreich, wo Daft Punk mit ihnen bereits 2017 eine Single aufnahmen. Im Pariser Le Palace wurde denn auch ihre Doppel-LP Live Vol. 2 aufgezeichnet – ein famoses Partydokument. Keyboarder Patrick He­therington sieht im achten der zwölf Tracks den Schwenkpunkt jener Nacht: „Über eine Stunde down the rabbit hole – und Thefear war der Moment, als die Party sich nach innen gekehrt hat.“ Wobei dieses aus Alice im Wunderland vertraute „down the rabbit hole“ das Vergessen der Zeit meint. Ausgelassenes Feiern wird besondere Konzentration, eine Verdichtung – man kann es spüren, auch ohne dabei gewesen zu sein.

Und natürlich lässt solch eine Beschreibung aufhorchen, zumal es den Parcels genau um diese Momente nächtlichen Abflugs geht, für die sie die Songs entsprechend präparieren. Hetherington sagt: „Wir wollten die Leute mit in den Club nehmen – in jene spannungsreiche und gesichtslose, euphorische Welt oder Situation, die entsteh, wenn du die richtigen Akkorde und Rhythmen in der treffenden Wiederholung abfeuerst. Nenn’ es Transzendenz. Wenn die Leute aufhören zu denken und nur noch fühlen, sich bewegen: that deep escape.“

Ihr Sound ist inspirierter Disco-House, fernab von alten DJism-Purismen oder dem Gepose aktueller Turntablisten. Die Parcels bringen reinen Four-to-the-floor-Stoff, der Herz, Füße, Hüften bewegt. Als Einfluss und Vorbilder nennen sie Beatles und Beach Boys, was bei ihren Harmoniegesängen durchscheint und funkelt, außerdem Bowie, Whitest Boy Alive, Steely Dan und Bee Gees in deren Disco-Phase. Alles spürbar drin – und jener Tacken mehr, der diese Übersiedler Parcels ausmacht. Ihr Flow drückt, schiebt, zieht, wie es gerade nötig ist. Deep escape eben, Ausflucht allerdings nicht. Manchmal braucht man solch Erholen – gerade weil da draußen jene mit den greulichen Tunneln sind, die Tanz ebenso wie freie Frauen hassen, sie vernichten wollen und Juden buchstäblich zerhacken. An das Supernova-Festival im Negev, Shani Louk und all die anderen dort müssen wir bei diesem Album deshalb ebenfalls denken, lassen uns die Transzendenz aber nicht nehmen. Für den Kampf um sie, der unausweichlich ist, kann sie nur stärken.

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