Den großen Wurf wagen

Was Vikar*innen und junge Pfarrpersonen vom Predigen halten
Foto: Harald Oppitz

Totgesagte leben länger – oder: Warum sollte man im 21. Jahrhundert noch predigen? Die Debatte über Sinn und Unsinn des Predigens schlägt gerade wieder hohe Wellen und lässt sich im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt nachlesen.

Ich habe junge Pfarrer*innen in den ersten Amtsjahren und Vikar*innen gefragt, ob und warum sie Predigen wichtig finden und war überrascht über die Leidenschaft, mit der die jungen Leute für die Sache der Predigt eingetreten sind. Noch dazu theologisch reflektiert und nachdenklich. 

Ein Vikar verweist mich auf das Jesajabuch als eine sorgfältig zusammen gestellte Sammlung von Predigten über Worte des Propheten. „Die Bibel selbst zeigt, dass sie zur Predigt einlädt, ohne Predigt bleibt die Schrift tot, sie ist angewiesen darauf, immer wieder ausgelegt zu werden.“ 

Dreh- und Angelpunkt

Überhaupt ist für viele die Bibel Dreh- und Angelpunkt der Predigt: „Mir reicht keine irgendwie nette Geschichte als Grundlage,“ sagt eine Pfarrerin. 

„Wenn ich mich auf die Suche nach Gott machen will, dann komme ich an der Predigt über die Bibel nicht vorbei. Wie sonst soll ich denn Gott die Chance geben, mit mir in Kontakt zu treten?“ höre ich von einem eher intellektuell geprägten Vikar. Eine Pfarrerin stellt klar, dass die Auslegung einer Bibelstelle die eigene Persönlichkeit unbedingt mit betrifft: „Als Predigende lasse ich mich befragen, die Schrift legt mich aus in der Vorbereitung auf die Predigt, nicht umgekehrt. Davon lege ich predigend Zeugnis ab.“ 

Eine junge Frau meint: „In der Bibel wird eine andere Stimme laut, das Dennoch Gottes.“ Ein Vikar ergänzt: „Mag sein, es gibt keinen Gott, aber ich finde schon, dass die Bibel mir und vielen anderen ein Konzept von Lebenssinn eröffnet, das überzeugend ist.“ – „Im Evangelium lese ich, dass ich leben darf vor aller Leistung, dass Leben nicht gewöhnlich ist und nicht selbstverständlich – im besten Sinn“ sagt eine Pfarrerin.  

Spirituell satt werden

 „Ich höre berührende Geschichten, in denen Berührung heilt und Lahme gehen, ich lese mutmachende Beispiele und bekomme überraschende Einfälle.“ Schnell wird es auch poetisch: „Geschichten von Bettlern und Königinnen, Verlierern und Helden, Betrügern und mutigen Frauen, die sich nicht abweisen lassen. Ich sitze mit am Brunnen und staune am Weg.“

Schließlich frage ich danach, was eine gute Predigt ausmacht. Denn allen, auch mir, ist ja klar, dass nicht jede Predigt ein großer Wurf ist, und dass es schlampig vorbereitete, langweilige und uninspirierte Predigten gibt. Leider. Gott sei´s geklagt. „Eine gute Predigt wagt den großen Wurf, weiß von Trost und Trotz. Treue, Ewigkeit. Versöhnung. Erlösung. Gerechtigkeit.“ höre ich. Und ich erfahre davon, dass die jungen Predigerinnen und Prediger sich selbst sehnen nach guten Predigtworten. „Ich möchte spirituell satt werden!“ und: „Es gibt Dinge, die kann ich mir nicht selbst sagen!“ 

Bewerben für den Predigtpreis

Bis Ende September läuft der Einsendeschluss zum diesjährigen Predigtpreis, der in diesem Jahr zum 23. Mal in der Bonner Schlosskirche überreicht wird (Infos unter https://predigtpreis.de) Bewerben dürfen sich alle haupt-, neben- und ehrenamtlichen Prediger*innen aller Konfessionen. Und natürlich nicht nur junge, sondern auch Menschen in der Mitte ihres Lebens sowie alte, weise und gereifte Predigerinnen und Prediger. Als Jurymitglied freue ich mich schon sehr darauf, die eingereichten Predigten zu lesen. Schon meine kleine Umfrage hat mich tief berührt und bewegt. Wenn Menschen sich so intensiv und begeistert ans Predigen machen, dann ist die Predigt nicht tot. 

Eine junge Pfarrerin sagt: „Eine gute Predigt hält den Himmel offen!“

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Foto: Harald Oppitz

Angela Rinn

Angela Rinn ist Pfarrerin und seit 2019 Professorin für Seelsorge am Theologischen Seminar der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in Herborn. Sie gehört der Synode der EKD an.


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