Hoffnung Heimat

Schweizer Ersteinspielungen

Die Empfehlung dieser CD beruht auf einem Konzertbesuch: In einem der seltenen Konzerte des belgisch-europäischen Vokalensembles Vox Luminis in Deutschland, das der Familiendynastie Bach gewidmet war, erklang unlängst final Johann Sebastians Motette BWV 227 „Jesu meine Freude“ in wechselnder solistischer Besetzung. Der Schweizer Tenor Raphael Höhn sang das Choralquartett „Gute Nacht, o Wesen“ (Strophe 5 in umfänglicher, freier Bearbeitung für Tenor und begleitende Frauenstimmen) mit derart faszinierender klanglicher und textlicher Präsenz, tief in sich ruhend mit luzide leuchtenden, klar geführten Linien, dass ich begeistert war und mehr von ihm hören wollte – dabei stieß ich auf seine CD „HEIMAT“. Es ist eine Hommage an den Schweizer Komponisten Friedrich Theodor Fröhlich (1803–1836). Sie kennen ihn nicht? Dann ist das die beste Gelegenheit – einerseits, weil es eine Weltersteinspielung ist, andererseits vor allem deswegen, weil sich hier zwei junge, gleichwohl schon große Könner ihres Fachs gefunden haben und sich von ihrer besten Seite zeigen – Raphael Höhn und sein virtuoser Partner, der amerikanische Pianist Shin Hwang. Beide haben sich als Solisten wie Ensemblemusiker bereits einen Namen gemacht.

Friedrich Theodor Fröhlichs Musik – auf einem zeitgenössischen Flügel des seinerzeit bekannten Wiener Klavierbauers Donat Schöffstoss (1773–1811) eingespielt – scheint den beiden auf den Leib geschneidert. Dabei kommt ihnen die gewählte Thematik zugute: Heimat. Es gibt kaum einen Begriff, der so viele Assoziationen, so viele Emotionen und so viele Diskussionen auslöst, wie dieser – ob als innerer Strohhalm oder weithin sichtbarer Kirchturm, ob in der Liebe oder als Landschaft … Heimat umfasst im besten Sinne, was das Herz aufräumt und frei atmen lässt. Und mit Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798–1874), dessen 6-teiliger Zyklus „Lieder an Meieli“ Schwerpunkt dieser CD ist, verbinden die Deutschen ein vertieftes, gleichwohl zwiespältiges Heimat-Gefühl als Dichter einiger besonderer Kinderlieder (Alle Vögel sind schon da / Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald) wie des Deutschlandliedes, das während der Weimarer Republik zur Nationalhymne bestimmt wurde.

Den gesamten Zyklus zeichnet eine unmittelbare, sehnsuchtsvolle Innigkeit aus, die Raphael Höhn mit feinem Gespür für die Finessen der abwechslungsreichen Melodien gut zu bewahren weiß, ohne pathetisch zu werden. Berührung ist bei Raphael Höhn nicht nur ein Begriff, sondern Maßstab der Interpretation. Laut ist seine Sache nicht. Im breiten dynamischen Spek­trum, mit dem er die Lieder zu beleben weiß, bleibt er stets vornehm, sinnend, schauend – und lässt damit das Ungestillte, Erträumte in ergreifender Form wirklich werden.

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