Klar konzentriert

Glaube geht durch den Magen

"Wohl bekomm’s!“, wünscht Ralph Kunz den Leserinnen und Lesern seines Buches Fasten. Und bekömmlich ist das Buch des Schweizer Praktischen Theologen durchaus. Wie schon im Vorgänger-Buch Pilgern: Glauben auf dem Weg fragt er nach der Anschlussfähigkeit alter kirchlicher Praktiken für die Gegenwart. Kunz geht der Frage nach, aus welchen Motiven heraus Menschen gefastet haben und fasten und welche Rolle der durch die traditionelle christliche Fastenzeit gesetzte feste Rahmen dabei spielt, das Fasten auch durchzuhalten. Denn jeder Verzicht ist auch mit Anfechtungen und Unlust verbunden, und nicht immer ist diese Begegnung mit den eigenen inneren Regungen angenehm. Kunz greift hier auf die Tiefenpsychologie C. G. Jungs zurück, wenn er ein Kapitel dem „Fasten als Schattenarbeit“ widmet.

Er sieht die Renaissance des Fastens, wie das Pilgern, als Chance, auch bei Menschen, die mit Kirche wenig zu tun haben, einen neuen Hunger nach Gott zu wecken. Beides, Pilgern wie Fasten, sind ganzheitliche Erfahrungen, die Leib und Seele betreffen und spirituelle Dimensionen eröffnen können. Kunz erläutert, warum deshalb auch Protestanten „am Fasten festhalten“ sollten.

Knapp, klar und konzentriert, an der einen oder anderen Stelle mit feiner Ironie und Humor, schlägt er für seine Leserschaft einen Bogen von den Ursprüngen der kirchlichen Fastenpraxis zu gegenwärtigen Trends, sei es die evangelische Fasten­aktion „Sieben Wochen ohne“ während der traditionellen christlichen Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern, das Fasten light etwa beim Intervallfasten oder seien es grundlegende Verzichts­praktiken wie vegetarische oder vegane Ernährung, die ihrerseits schon quasireligiösen Charakter annehmen können.

Bei Letzteren mache sich, meint der Theologieprofessor Kunz, eine neue Gesetzlichkeit bemerkbar, von der er gerade weg will. Fasten ist eine Verzichtsübung, aber sie soll freiwillig sein und nicht von kirchlichen oder weltlichen Autoritäten verordnet werden. Beim Fasten handle es sich „nicht um ein Werk, sondern um eine Praktik, von der sich die Praktizierenden eine heilsame Wirkung erhoffen dürfen“. Heilsam für Leib und Seele soll das Fasten wirken, heilsam aber nicht nur für die Fastenden, sondern auch für andere. Denn für Christen (wie auch im Judentum und im Islam) gilt: „Beten, Fasten und Almosengeben gehören zusammen.“

Risiken und Nebenwirkungen des Fastens sieht Kunz sowohl in der Tradition wie in der Moderne. Ein erzwungener, verordneter Verzicht, so Kunz, ist keiner und kann dazu führen, dass alles Verbotene umso gründlicher nachgeholt wird – in der Gegenwart zu beobachten im Umgang mit der Corona-Pandemie, die keineswegs zu einem zum Beispiel grundlegend veränderten Reiseverhalten geführt habe, eher im Gegenteil.

Aber auch den metaphorischen Gebrauch des Fastenbegriffs, wie in der Aktion „Sieben Wochen ohne“, sieht Kunz kritisch. Um etwa einen „Verzicht auf Verzagtheit“, so ein Motto der Aktion, „mit dem Speise-Fasten in Verbindung zu bringen, muss man ein paar geistige Purzelbäume schlagen“, meint Kunz, hält der Aktion aber zugute, dass sie letztlich auf eine Verhaltensänderung abzielt, die nicht auf sieben Wochen im Jahr beschränkt bleibt. Es werde „nicht für eine Verzichtsaktion geworben, sondern für eine Lebenshaltung missioniert“, freilich mit den oben schon genannten Risiken einer neuen Gesetzlichkeit.

Fazit: Wer einen fundierten Überblick zum Thema Fasten aus evangelischer Sicht sucht, der das Thema biblisch, (kirchen-)historisch, kulturell, psychologisch beleuchtet und auch Impulse für die gemeindliche Praxis gibt, ist mit Ralph Kunz’ Buch Fasten gut bedient.

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