Hoffnung spärlich gesät

Die deutschen katholischen Bischöfe ringen in Fulda um eine Position zum Krieg im Nahen Osten. Und um die Struktur der Weltkirche.
Eine Ampel in Fulda mit weiblichem Priester als Rotlicht
Foto: Philipp Gessler
Eine Frau als Priesterin? Bislang geht das nur als Ampelsymbol in Fulda.

Es ging um politische Themen im In- und Ausland, und um Kirchenpolitik, etwa die Reise von fünf deutschen Bischöfen der römisch-katholischen Kirche zur anstehenden Weltsynode in Rom. Aber mit großen Erwartungen fahren die Oberhirten nicht, denn Reformbeschlüsse sind dort kaum zu erhoffen. Wichtiger waren bei der Herbstversammlung der Bischofskonferenz in Fulda die eindrücklichen Worte von Kardinal Pierbattista Pizzaballa. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem sprach nüchtern über die Lage im Nahen Osten: „Heute spüren wir mehr Angst als Hoffnung.“

Kurz vor dem Jahrestag des Massakers der Hamas auf Israel sind die deutschen katholischen Bischöfe auf vorsichtige Distanz zu den militärischen Aktionen der israelischen Regierung gegangen. Der Vorsitzende der bischöflichen Kommission Weltkirche, Bertram Meier, erklärte bei der Herbstversammlung der Bischofskonferenz (DBK) in Fulda: „Die von den deutschen Bischöfen immer wieder geforderte Verhältnismäßigkeit der militärischen Gegenreaktion Israels ist angesichts der unzähligen Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen nicht mehr gegeben.“ Beim Blutbad der palästinensischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober 2023 waren über 1.100 Menschen getötet und rund 250 Israelis als Geiseln genommen worden.

Der Augsburger Bischof unterstrich: „Wir fordern die Freilassung der israelischen Geiseln, eine umfassende humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen und eine sofortige Waffenruhe.“ Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Bundesregierung, müsse „ihren Druck auf die israelische Regierung erhöhen und auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinwirken“. Der bayerische Oberhirte kritisierte das militärische Vorgehen Israels am Mittwochmittag zunächst mit ambivalenten Worten: „Es sind Luftanschläge, die aber durchaus auch Anklänge an terroristische Aktionen haben.“ Am gestrigen Abend nahm er diese Aussage jedoch zurück. Seine Bemerkung sei missverständlich gewesen, erklärte er.

Der Paderborner Erzbischof Udo Bentz, der Vorsitzender der Arbeitsgruppe Naher Osten der Bischofskonferenz ist, äußerte sich klarer als sein Amtsbruder: „So sehr ich davon überzeugt bin, dass das Eintreten für die Sicherheit Israels auch den Palästinensern dient, so sehr bin ich auch davon überzeugt, dass umgekehrt das Eintreten für die Rechte der Palästinenser der Sicherheit Israels dient.“ Auch wenn ein Ende des Krieges noch lange keinen Frieden bedeute, sei es das Gebot der Stunde, die Waffen sofort niederzulegen und Deeskalation, Verhandlung und Dialog Raum zu geben. „Andernfalls geht das Blutbad immer weiter, und die Spirale der Gewalt dreht sich noch schneller.“

Jeder sieht sich als Opfer

Der unmittelbare Anlass für die deutschen katholischen Bischöfe, sich mit der Lage im Nahen Osten zu beschäftigen, war der Besuch von Kardinal Pierbattista Pizzaballa, des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem. In einem Referat sagte der franziskanische Ordensbruder vor der DBK, „die Bilder in den Medien und auf unseren Handys“ zeigten seit dem 7. Oktober „Blut, Zerstörung und Tod, aber auch Hass, Rache und Ressentiments, bei denen sich jeder als Opfer fühlt, als einziges Opfer dieses Tsuname des Hasses der über uns hinweggefegt ist.“ Dies sei vielleicht eine der Schwierigkeiten dieser Zeit, zumindest im „Heiligen Land“. „Das eigene Herz ist so voll, so überflutet, so zerrissen vom Schmerz, dass für den Schmerz der anderen kein Platz mehr bleibt. Jeder sieht sich als Opfer, als einziges Opfer dieses abscheulichen Krieges. Wir wollen und fordern Empathie für unsere eigene Situation und fühlen uns oft verraten oder zumindest im Stich gelassen, wenn wir hören, dass andere Verständnis für diejenigen aufbringen, die anders sind als wir.“

Der Kardinal sagte, hier gehe es auch um die Sprache und die unterschiedlichen Erzählungen von dem Geschehen: „Jede Seite, die israelische und die palästinensische, hatte ihr eigenes Vokabular, ihr eigenes Narrativ, unterschiedlich und unabhängig voneinander. Sie trafen sich nie, außer in kleinen inneren Kreisen. Auf der israelischen Seite drehte sich das Vokabular zum Beispiel um das Konzept der Sicherheit. Auf der anderen Seite drehte sich alles um Besatzung und Gerechtigkeit.“ Diese Worte seien unantastbar, spiegelten eine echte Realität und Notwendigkeit wider und verdienten Respekt. „Das Problem war, dass es sich um voneinander unabhängige Narrative handelte, die sich nie wirklich begegneten.“

Enttäuscht zeigte sich der Kardinal von den führenden Köpfen der monotheistischen Religionen in der Krisenregion: „Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben wir in den letzten Monaten keine Reden, Überlegungen oder Gebete von religiösen Führern gehört, die sich von denen anderer politischer oder gesellschaftlicher Führer unterscheiden." Es sei, so der Patriarch, fast unmöglich geworden, „interreligiöse Treffen abzuhalten, zumindest auf öffentlicher Ebene. Gläubige Juden, Christen und Muslime sind nicht in der Lage, sich zu treffen, nicht einmal, um ihre Meinungsverschiedenheiten auszudrücken. Interreligiöse Beziehungen, die gefestigt schienen, scheinen nun von einem gefährlichen Misstrauen überschattet zu werden. Jeder fühlt sich vom anderen verraten, nicht verstanden, nicht verteidigt, nicht unterstützt.“

Zeugen der Hoffnung sein

Zugleich war Pizzaballa skeptisch für die nahe Zukunft im Kriegsgebiet: „Wir glauben – und wir hoffen, dass wir uns irren –, dass das Ende des Konflikts noch nicht bevorsteht und dass wir mit dieser schrecklichen Situation noch lange umgehen müssen.“ Eine Waffenruhe, sagte der katholische Geistliche vor Journalisten, sei nur von beiden Seiten zu erreichen, weshalb sie auch keine Seite als Niederlage interpretieren könne. Ein Waffenstillstand, wie sie die DBK vorschlägt, könne helfen, über neue Wege für ein Ende der Gewalt nachzudenken. Er hoffe zwar, dass der Höhepunkt des Konflikts schon überschritten sei, aber das habe man in den letzten Monaten schon häufiger gedacht.

Pizzaballa lotete in seinem Statement schließlich auch eher psychologische Gründe der Lage im Nahen Osten aus: So dürfe es keine Hierarchie des Schmerzes und der Opfer geben, sagte er. „Aber wir dürfen nicht aufgeben. Niemals aufgeben.“ Er sah hier eine Aufgabe aller Gläubigen an den einen Gott: „Alle, Juden, Muslime und Christen, müssen in erster Linie glaubwürdige Zeugen der Hoffnung sein, weil sie von Gottes Güte gegenüber allen Menschen überzeugt sind. Ohne Hoffnung kann man nicht leben. Heute spüren wir mehr Angst als Hoffnung. Der Angst wird mit den Waffen des Glaubens und des Gebets begegnet. Jetzt ist die Zeit der Hoffnung. Ich glaube, dass das Gegenmittel gegen Gewalt und Verzweiflung, woher sie auch kommen, darin besteht, Hoffnung zu schaffen und zu Hoffnung und Frieden zu erziehen.“

Überall Streit, Konflikt und Krieg, und zu allem wollen (und müssen) die deutschen katholischen Bischöfe etwas sagen: Die Lage im „Heiligen Land“ ist hoch dramatisch. Die Bischofskonferenz ruft zur Hilfe für die Menschen in Gaza und im Libanon auf. Es gibt einen Appell der Bischöfe an die deutsche Bevölkerung, zu Spenden für die Ukrainerinnen und Ukrainer im zweiten derzeitig großen Krieg bereit zu sein. Zu hören war die Mahnung des DBK-Vorsitzenden, den Klimawandel nicht zu verdrängen, auch wenn er in der politischen Agenda zurzeit etwas in den Hintergrund gerückt ist. Und es gibt eine neue Handreichung der Bischofskonferenz, wie mit aktiven AfD-Mitgliedern in den katholischen Gemeinden umzugehen ist, nämlich sie notfalls zu entlassen. 

Versandende Reformen

Kirchenpolitisch am brisantesten aber bleibt trotz dieser brennenden politischen Themen im In- und Ausland die anstehende Romfahrt der fünf deutschen Bischöfe nach Rom. Und auch hier ist Hoffnung nur spärlich gesät. Wenn man bedenkt, mit welchem Aufwand die deutsche katholische Kirche in den letzten rund fünf Jahren nach Reformen über das Instrument des Synodalen Weges gesucht hat, scheint nun fast alles auf der weltkirchlichen Ebene zu versanden oder zumindest zu stocken. Das wurde bei der Pressekonferenz der fünf Bischöfe deutlich, die zur Weltsynode ab Oktober nach Rom fahren. Es sind der Limburger Bischof Georg Bätzing, der zugleich Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, sein Mitbruder Felix Genn aus Münster, Stefan Oster aus Passau, der Essener Franz-Josef Overbeck und der schon genannte Bischof Meier.

Auf der knapp vierwöchigen Versammlung in der Ewigen Stadt soll es darum gehen, wie eine synodale Weltkirche verfasst und wie neue Ansätze einer (Neu-)Evangelisierung der Welt gelingen könnten. Die Kirchenversammlung wird vom 2. bis 27. Oktober im Vatikan stattfinden. Eingeladen sind 368 Männer und Frauen aus allen Kontinenten, davon 272 Bischöfe und 96 Nichtbischöfe. Nur ein Siebtel aller Teilnehmenden sind Frauen.

Bischof Oster aus Passau versuchte in Fulda, ob des großen Ereignisses etwas Spannung aufzubauen. Er sagte, die Synode biege nun nach den ersten vier Woche am Tiber vor einem Jahr in den nun kommenden Wochen in eine „entscheidende Phase“ ein. Es gehe darum, „in neuer Weise Kirche zu sein“. In der Form des „Gesprächs im Geist“, was im wesentlichen ein Gespräch in Kleingruppen an Runden Tischen bedeutet, gehe es um das Hören auf den Heiligen Geist in einem „geschützten Raum“. Methode und Inhalt verschränkten sich hier. Der „eigentliche Protagonist“ sei der Heilige Geist.

Einmal sprechen in vier Wochen

Sein Augsburger Kollege Meier zitierte aus dem Instrumentum laboris, also dem Arbeitspapier, das den Synodalen in Rom bei ihren Diskussionen den Weg leiten soll.  Der Bischof zitierte: „Es ist schwer vorstellbar, dass es einen wirksameren Weg zur Verwirklichung einer synodalen Kirche gibt als die Teilhabe aller an den Entscheidungsprozessen.“ Man werde in der Weltkirche vielleicht zukünftig weg von einem zentralen Aufbau, hin zu einer polyzentrischen Struktur kommen. Bischof Felix Genn aus Münster verwies darauf, dass alle in Deutschland brennenden Themen wie etwa die Frauenweihe oder das Zwangszölibat auch in anderen Regionen der Welt diskutiert würden.

Allein, die wirklich polarisierenden und großen Streitthemen wie etwa das Diakonat der Frau wurden schon vorab in elf Arbeitsgruppen verlegt. Die aber diskutieren weitgehend unabhängig von der Weltsynode – und können noch sehr lange tagen. Abgesehen davon, ist der Papst laut Statut am Ende völlig frei, die Anregungen der Synode und der Arbeitsgruppen zu übernehmen oder zu verwerfen. So geschah es zum Beispiel bei der ähnlich aufwändigen „Amazonas Synode“ vor knapp sechs Jahren in Rom, als sich die Synodalen für eine Lockerung des Zwangszölibats aussprachen. Der 2013 als Reformer angetretene Papst Franziskus ließ dieses Votum unter den Tisch fallen. Außer Spesen nix gewesen, könnte man polemisch sagen.

Ähnliches befürchtet für die nun kommende Synode offensichtlich auch Bischof Bätzing als Vorsitzender der Bischofskonferenz. Schon nach der ersten Tagung der Weltsynode vor einem Jahr waren seine Urteile über das wochenlange Diskutieren eher durchwachsen, um es vorsichtig zu sagen. Bätzing sagte nun in Fulda, er beobachte eine Engführung der Synodenarbeit. So sei etwa unklar, wie das, was in den Tischrunden diskutiert werde, auch wieder auf die Arbeitsgruppen wirken könne. Unzufrieden zeigte sich der Limburger Bischof auch darüber, dass alle Teilnehmenden ob ihrer großen Zahl de facto nur einmal in den knapp vier Wochen zu Wort kommen könnten. So sei keine wirkliche Diskussion möglich. Auch Bischof Genn sagte, die Synode habe offenbar noch keine wirklich passende Methode zur Entscheidungsfindung gefunden.

Gleichzeitigkeiten und Ungleichzeitigkeiten

Bätzing insistierte gleichwohl, man dürfe der Frage des Diakonats der Frau nicht ausweichen, dies sei eine Zukunftsfrage für die ganze Kirche. Er sei eindeutig wie die übergroße Mehrheit des Synodales Weges in Deutschland für diese Weihe der Frauen. Dies dürfe nicht in eine Arbeitsgruppe „ausgelagert“ werden. Vielleicht sei eine gute Lösung, dass man vorgehe wie der frühere Papst Paul VI., der es schon vor Jahrzehnten den einzelnen Bischofskonferenzen überlassen habe, ein Diakonat von nicht-zölibatären Männer zu erlauben – oder eben nicht. In Deutschland gibt es verheiratete Ständige Diakone.

Bischof Overbeck aus Essen wies allerdings darauf hin, dass selbst in Europa die katholische Kirche in manchen Fragen sehr divers sei, es gebe da „Gleichzeitigkeiten und Ungleichzeitigkeiten“, etwa was Forderungen aus Europa und Afrika angehe. Tatsächlich haben die afrikanischen katholischen Kirchen in der Regel ganz andere Ansichten als die Westeuropäer, was Homosexualität in der Kirche oder eine Weihe von Frauen angeht. Die weltweite Kirche dürfe sich ob der Frauenfrage nicht spalten, warnte Overbeck.

Selbst die deutsche Romtruppe dürfte übrigens in der Frauenfrage nicht unbedingt mit einer Stimme sprechen. Bischof Meier aus Augsburg etwa sagte, er fühle sich weiter gebunden an die nun 30 Jahre alte Erklärung Ordinatio sacerdotalis von Papst Johannes Paul II. zur Priesterweihe. Die schließt eine Weihe von Frauen aus. Ob es hier neue Ansätze gebe, sei unsicher, so Bischof Meier. Er jedenfalls wolle an der Frage nicht rütteln, ob Frauen in Zukunft auch die Eucharistie spenden können sollten. Und weltweit ist die Sache noch verzwickter: Nicht zuletzt bei der Frage der Aufarbeitung des Skandals der sexualisierten Gewalt in der Kirche gibt es sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten. Klarer gesagt: In vielen Ländern der Erde ist das noch ein absolutes Tabu. Die Verbrechen im Raum der Kirche werden in der Regel weiterhin verdrängt und vertuscht.

Ökumenisches Potenzial

Bei der Abschluss-Pressekonferenz betonte Bischof Bätzing übrigens, dass man gern von anderen synodalen Strukturen, etwa bei den evangelischen Schwesterkirchen in aller Welt, zu lernen bereit – dazu werde extra ein Bericht vorgelegt, der auf der Website der Bischofskonferenz nachzulesen ist: www.dbk.de/themen/bischofssynode-synodale-kirche-2021-2023. Eine synodalere katholische Kirche, so Bätzing, habe in sich auch „ein bedeutendes ökumenisches Potenzial“.

Das ist auch die Hoffnung, die den DBK-Vorsitzenden dann doch mit ein wenig Zuversicht an der Spitze seiner Bischofstruppe nach Rom zur Weltsynode reisen lässt. Er habe das Anliegen, dass die katholische Kirche nach den knapp vier Wochen Wege zu mehr Synodalität finde. Dazu gehöre mehr Transparenz und eine stärkere Rechenschaftspflicht bei den Entscheidungen der Bischöfe. „Das können wir schaffen.“ Auch eine Dezentralisierung bei den Entscheidungen der Weltkirche sei nötig, denn nicht jede Frage müsse zentral in Rom entschieden werden. Das könnten auch einzelne Bischofskonferenzen übernehmen. „Das deutet sich an.“ Schließlich seien „erhebliche Schritte“ nötig, um die Bedeutung von Frauen bei Beratungs- und Entscheidungsprozessen in der Weltkirche zu erhöhen. Das alles müsse gelingen, ohne die Einheit der Kirche zu bedrohen, die ja ein Gebot des Glaubens sei. Die Leitlinie sei, so Bätzing: Im Wesentlichen Einheit – in allem anderen Vielfalt.

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Kirche"