Spannend

Netzwerke der Nonnen

Die didaktisch hervorragend konzipierte Darstellung über Leben und gesellschaftliche Rolle von Nonnen in ausgewählten niedersächsischen Frauenklöstern des 15./16. Jahrhunderts, die die Germanistin Henrike Lähnemann und die Historikerin Eva Schlotheuber geschrieben haben, bietet verschiedene Schwerpunktthemen. Dabei geht es um das Leben in der klösterlichen Klausur, die Ausbildung der Nonnen und ihre Netzwerke wie Herkunftsfamilie und ihr soziales Umfeld. Thema sind auch die Klosterreform des 15. Jahrhunderts, Musik und Gesang, die Frauenkonvente und die Reformation sowie Sterben im Kloster.

Die Autorinnen können aus einem Schatz von Texten schöpfen, die Nonnen in jenen Klöstern geschrieben hatten und die von der Historikerin Schlotheuber und der Germanistin Lähnemann erstmals erschlossen und ediert wurden: Das sogenannte Konventstagebuch einer anonymen Nonne aus dem Zisterzienserinnenkloster Heilig Kreuz bei Braunschweig aus den Jahren 1484 bis 1507 und eine umfangreiche Sammlung von Briefen, die Nonnen aus dem Kloster Lüne zwischen 1460 und 1555 geschrieben hatten. Diese Quellen, die die eigene Sicht der Nonnen auf ihr Leben in der Klausur und die Vorgänge im und um das Kloster wiedergeben, ermöglichen den Autorinnen, am Anfang jedes Kapitels zuerst die Nonnen selbst zu Wort kommen zu lassen.

Das Selbstverständnis der Nonnen herauszuarbeiten, das durch die abwertende konfessionelle Polemik des 16. Jahrhunderts verdeckt und verzerrt wurde, ist eines der Anliegen der Wissenschaftlerinnen. Dazu kommt ihr Interesse, den von der historischen Forschung vernachlässigten weiblichen Akteuren in der Geschichte des Spätmittelalters und der Reformation ihren Platz wiederzugeben. Aus den Quellen ergibt sich das Bild von Frauen mit einer anspruchsvollen Bildung, die in der Gesellschaft eine Vorbildfunktion einnahmen und selbstbewusst ihren Alltag gestalteten. Die Klausur sperrte die Nonnen nach ihrem Verständnis nicht weg, sondern schützte sie. Zugleich war die Architektur des Klosters so gestaltet, dass geregelte Kontakte zwischen Nonnen, Laienschwestern und dem übrigen Personal der Klosterfamilie möglich waren, insbesondere auch zwischen den Konventsfrauen und ihren für sie zuständigen Geistlichen, dem Propst, dem Beichtvater und den Priestern.

Die erzählten Klostergeschichten zeigen starke wie schwache Frauen. Mit selbstbewusstem Auftreten, aber auch diplomatischer Kompromissbereitschaft sicherten einige Lüneburger Frauenklöster in der Reformationszeit ihr Überleben bis in die Gegenwart, unterstützt durch einflussreiche Verwandte einiger Klosterfrauen. 1524 übernahm „eine starke Frau“, Margarete Stöterogge, das Amt der Äbtissin im Kloster Medingen, unweit von Lüneburg gelegen. Die Nonnen beschwerten sich 1553 beim Herzog gegen den ihnen aufgedrängten lutherischen Prediger wegen seines polemischen, grobschlächtigen Predigens und erreichten die Einsetzung des von ihnen gewünschten Predigers sowie die Erlaubnis, die Messliturgie weiterhin lateinisch singen zu dürfen. Den Kelch beim Abendmahl akzeptierten sie 1554. Ansonsten führten sie noch etwa anderthalb Jahrhunderte die aus der Zeit der Klosterreform des 15. Jahrhunderts stammenden Gebräuche des Klosters fort.

In jedem Kapitel wird neben den Textzeugnissen ein Beispiel aus der „materiellen Kultur“ der Klöster vorgestellt und durch Farbtafeln veranschaulicht (Ebstorfer Weltkarte, mit Bildern bestickte Wandteppiche sowie ein Gemälde). Auch die für die Identität der Klöster so wichtige Klangwelt der Frauenklöster (Gesänge, Orgel, Glocken) werden einbezogen.

Das spannend geschriebene Buch ist voller neuer Informationen im Detail und ist geeignet, neue Forschungen über Frauenklöster in anderen Regionen Deutschlands anzuregen.

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