Was macht eigentlich Zaid? Die Frage ist berechtigt, denn ich habe Sie, liebe Leserin, lieber Leser, das letzte Mal vor einem Jahr über sein Schicksal informiert, er war Ihnen sicherlich ans Herz gewachsen – ich entschuldige mich dafür, dass Sie so lange auf Neuigkeiten über ihn warten mussten, obwohl es welche gab.
Zaid, also unser orangener Wels, hatte das als nahöstliches Friedensexperiment konzipierte Zusammentreffen mit seinem schwarzen Mit-Wels Schlomo im Aquarium als einziger überlebt – ein schlechtes Omen für Israel, dachten wir. Aber Zaid liebten wir noch immer. Allein, wie er sich mit seinem Mund die Scheibe heraufsaugt, seinen immer länger werdenden Schwanz hinterher wedelnd: allerliebst! In unserer Wohnküche können wir Zaid jeden Tag bewundern, sogar, wenn wir essen.
Doch jetzt ist etwas zerbrochen in uns, nämlich unsere Liebe zu unserem letzten Wels-Überlebenden im Aquarium, zum putzigen Zaid: Eine Freundin besuchte uns, eine Fisch-Expertin schon seit langem. Sie erklärte trocken: Welse darf man nie zusammen in ein Aquarium stecken (übrigens ein Rat, den wir vom Verkäufer der Fische nicht gehört hatten). Denn Welse bekämpften einander, schlimmer noch: Der Stärkere würde den Schwächeren fressen!
Wir wissen nicht, ob das tatsächlich so war. Aber das rasche und spurlose Verschwinden von Schlomo wäre so erklärbar. Ebenso das recht schnelle Wachstum von Zaid. Die Freude an Zaid ist nun sehr getrübt, auch wenn er weiter so süß mit dem Schwanz wedelt und die Scheibe abnuggelt. Wer erfreut sich schon an einem Mörder?
Ich habe nun angefangen, dem irre schnell wachsenden, uns täglich erfreuenden Olivenbaum auf unserem Balkon einen Namen zu geben: Nike. Und die immer prächtigere Palme daneben heißt jetzt Layla. Gottseidank können die sich nicht gegenseitig aufessen.
Philipp Gessler
Philipp Gessler ist Redakteur der "zeitzeichen". Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Ökumene.