Für den kirchlichen Laien klingt die Nachricht erst einmal befremdlich: Die 11. Generalsynode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) hat den Kirchenstatus der EKD ausdrücklich bestätigt.
Gab es denn jemals Zweifel daran? - wird er fragen, der Laie. Die Antwort: durchaus. Seit 1948, dem Jahr, in dem sich die EKD eine Grundordnung gab und die VELKD gegründet wurde. Dass die VELKD Kirche ist, galt immer als unstrittig, handelt es sich doch um den Zusammenschluss deutscher lutherischer Landeskirchen, die sich alle auf das Augsburgische Bekenntnis, die Confessio Augustana, kurz CA, und Martin Luthers Kleinen Katechismus berufen.
In der EKD sind alle deutschen Landeskirchen versammelt, die vereinigten lutherischen wie die unierten und die reformierten. Nicht alle sehen in der CA ihre Grundlage. Für die Lutheraner aber war es das gemeinsame Bekenntnis, das eine Kirche ausmacht. Und in diesem Sinne konnte die EKD keine Kirche sein.
Doch die Dinge haben sich schon lange geändert: Mit der Leuenberger Konkordie von 1973 haben zahlreiche evangelische Kirchen (heute gehören 105 Kirchen der "Gemeinschaft Europäischer Kirchen" an) einander anerkannt, ohne auf eine gemeinsame oder je eigene schriftliche Bekenntnisschrift zu pochen.
Die meisten kirchlichen Laien (um bei diesem Begriff unbeschadet der Priesterschaft aller Gläubigen zu bleiben) kennen nur eine evangelische Kirche in Deutschland, und die sehen sie in der EKD verkörpert. Von den eigenen Landeskirchen haben die meisten schon einmal gehört, sie sehen sie als organisatorische Einheit mit je eigener Tradition innerhalb der evangelischen Kirche. So schätzen sie auch die VELKD ein, wenn sie sie kennen.
Im Gottesdienst sprechen sie das apostolische Glaubensbekenntnis und bekennen "die eine, christliche, allgemeine (katholische) Kirche" - und werden so daran erinnert, dass keine einzelne Kirche "die" Kirche ist, auch nicht die römisch-katholische, die das gern von sich behauptet.
Wer aber definiert, welche Kirche sich zu Recht Kirche nennt? Zunächst einmal jede einzelne kirchliche Organisation selbst, als Versammlung von Gläubigen. Ob sie von anderen Kirchen anerkannt wird, steht auf einem anderen Blatt.
Schon der Sprachgebrauch verrät die eigentliche Schwierigkeit: Jede Landeskirche ist "eine" Kirche, aber beileibe nicht "die" Kirche. Und wenn gefragt wird, ob die EKD Kirche sei, so ist dies auch die Frage danach, ob sie "eine" Kirche ist, denn dass sie Kirche als Bestandteil der allgemeinen christlichen Kirche ist, wird niemand bezweifeln. "Die" Kirche besteht aus vielen Kirchen, auch "eine" Kirche kann aus vielen Kirchen bestehen. Gut also, dass es die VELKD nun einmal klipp und klar ausgesprochen hat: Die EKD ist im Sinne der Leuenberger Konkordie eine Kirche, schon weil sie die Grundbedingung aller evangelischen Kirchen erfüllt, dass nämlich ihr Verständnis des Evangeliums "an der reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung allein aus Glauben ausgerichtet" ist.
Helmut Kremers
Helmut Kremers
war bis 2014 Chefredakteur der "Zeitzeichen". Er lebt in Düsseldorf. Weitere Informationen unter www.helmut-kremers.de .