Ich habe es recherchiert. Juan Martinez ist schuld. Der Kolumbianer mit dem Allerweltsnamen schreibt für „Lonely Planet“, den – angeblich – größten Reiseführer-Verlag der Welt. Über 600 Titel, Gesamtauflage etwa 55 Millionen. Online schreibt Martinez, übersetzt, unter dem Titel „Speisen Sie in Berlin wie ein König“: „In Berlin finden Sie an jeder Ecke günstige Tarife. Genießen Sie Deutschlands ‚inoffizielles‘ Nationalgericht, den Döner Kebab, im berühmten Mustafa’s Gemüse Kebap neben der U-Bahn-Station Mehringdamm …“
„Berühmt“, das ist das Problem. Wer tatsächlich einen Döner in „Mustafa’s Gemüse Kebap“ kaufen will, wie ich das manchmal aus lauter Liebe für meine Familie (schnüff) tue, steht zuverlässig in einer Schlange von Touristen, die
kein Problem damit haben, eine Stunde oder länger auf ihren Döner zu warten. Ist ja klar, sie sind im Urlaub, sie haben Zeit. Ich wohne hier, habe keinen Urlaub und keine Zeit, zumindest nicht eine Stunde für einen Döner, manno!
Aber dem Touristenpack ist das pieps-egal, für sie ist das Warten Kult. Sie fotografieren sich sogar in der Schlange.
Ich habe mal das Gespräch einer jungen Touristin mitgehört, die in ihr Handy brüllte: „This is the best Döner IN THE WORLD!“ (Was zu beweisen wäre, denk ich mir.) Und immer wieder sieht man vor allem zarte japanische Touristinnen, die einen viel zu großen Döner von Mustafa in der Hand halten. Sie knabbern etwas daran, dann – Klick – ein Handyfoto, um ihn in ihrer Cloud zu sharen. Wahrscheinlich schmeißen sie ihn danach weg, heimlich, er hat ja bei Insta seinen Zweck erfüllt. Schlimm!
Aber ich bin ja selbst schuld, ich muss ja nicht zu Mustafa! Kriegen meine Liebsten halt schlechte Gemüse-Döner von anderswo zu essen. Sie lieben mich trotzdem! Aber eines weiß ich ganz genau. Wenn ich dem Juan Martinez mal über den Weg laufe, dem stopfe ich einen Döner …
Philipp Gessler
Philipp Gessler ist Redakteur der "zeitzeichen". Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Ökumene.