Körpersprache

Puntkum
Foto: Rolf Zöllner

Es ist Zeit, miteinander zu reden. Denn seit einem Jahr gehen wir beide anders miteinander um, Du und ich, Dein Körper. Wie lange soll das noch so gehen?

Es war eine extreme Situation, in die uns das neue Virus hineinschleuderte. Mit ihm kam die Angst, um mich und um Dich. Denn Du bist zwar mehr als Dein Körper. Aber ohne mich, bist Du nicht(s).

Und so wurdest Du Dir meiner Verletzlichkeit neu bewusst. Das Memento Mori ist ja unüberhörbar, wenn der Morgenkaffee begleitet wird vom täglichen Bodycount der Covid-19-Toten in den Radionachrichten. Wenn man in jedem Tischgespräch auf die Frage kommt, ob jemand jemanden kennt, den es erwischt hat. Wenn uns ständig Bilder gezeigt werden von Menschen an Beatmungsgeräten, von durch Überlastung gemarterten Ärztinnen und Pflegern, vollen Kühlhäusern und Krematorien mit aufeinandergestapelten Särgen. Da helfen auch die positiven Affirmationen aus den Yoga-Videos nur bedingt. Du bliebst tapfer, hast versucht, weiterzumachen wie vorher, so weit es eben ging, und Dich dabei mehr als sonst um mich gekümmert. Du hast Husten, Schnupfen und Halsweh ernster genommen als früher. Du warst öfter joggen, um meine Abwehrkräfte zu stärken, bist möglichst wenig Bahn und Bus gefahren, hast weniger Menschen getroffen als vorher. Du hast Dir ein buntes Set an Masken zugelegt, sie gewaschen und gebügelt und zum Schluss doch ersetzt durch die aus der Apotheke. Nicht nur, um mich zu schützen, sondern auch um andere vor mir zu schützen. Denn ich bin ja nicht nur mögliches Opfer, sondern immer auch ein potenzieller Täter. Ein Krankmacher wider Willen, eine biologische Waffe, vielleicht sogar ein Killer, der mit einer Umarmung lächelnd tötet.

Deine Vorsicht hat gewirkt. Unsere Vernunftehe auf Zeit hat uns bislang vor der Intensivstation bewahrt und möglicherweise auch den einen oder die andere, die wir infiziert hätten. Doch jetzt liegt das Schlimmste hinter uns, wir warten auf die Impfung, und ich frage mich, ob wir beide wieder zurückfinden in unsere alte  Unbeschwertheit. Wie lange wirst Du auf den Abstand zu anderen achten? Freust Du Dich bald wieder über lachende Münder und große Nasen in der Straßenbahn oder siehst Du sie noch immer als Virenschleudern? Berührst Du wieder auch die Körper, die nicht in Deinem Haushalt leben? Lässt Du Dich berühren? Packst Du wieder mit an? Oder bleibt die Angst, vor meiner Verletzlichkeit? Vor Deiner Verletzlichkeit? Vor der Nähe?

Versuch sie zu überwinden! Denn es kommt die Zeit für einen Neuanfang. Ich will zurück in das unbeschwerte Miteinander vor Corona. Ich will mit Dir fühlen und genießen, keine Maske mehr tragen und auch mal die Kontrolle verlieren. Wir haben das beide doch auch früher miteinander erlebt. Lass es uns wieder tun, sobald es geht. Und dann lass uns gemeinsam alt werden … 

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Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens.


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