Unser Online-Kolumnist und beratender Mitarbeiter Klaas Huizing macht sich Gedanken über den protestantisch-theologischen Büchermarkt: Verlage sterben, Programm sind unklar. Und UTB? Ist für den Würzburger Theologieprofessor und Romanautor keinesfalls die Lösung.
Herbe Verluste sind zu beklagen. Bitte, erheben Sie sich!
Das Gütersloher Verlagshaus, Urzelle des Verlagshauses Bertelsmann, das sich inzwischen chic Verlagsgruppe Random House nennt, berentete vor zwei Jahren das theologische Fachbuch. Für viele überraschend, verkaufte die Neukirchener-Verlagsgesellschaft 2016 das wissenschaftlich-theologische Programm an den Konkurrenten Vandenhoeck & Ruprecht.
Nach nur schlanken zwei Jahren und vier Programmen wurde der frisch wiederbelebte Kreuz-Verlag dem Herder-Programm final eingegliedert. Die drei ehemals stolzen Verlage hinterlassen verängstigte Autorinnen und Autoren, Lektorinnen und Lektoren. Aber es gibt auch schmale Hoffnung. Wachgeküsst durch den neuen Verleger Dr. Martin Scherer, erlebt der Claudius-Verlag aus München einen zweiten toskanareifen Frühsommer.
Setzen Sie sich, bitte. Vielen Dank!
Ich bin kein Alarmist, aber die Situation ist nicht komfortabel. Dem Protestantismus brechen Verlagsstrukturen weg, weil die Verlage die lesende Stammklientel vermissen. Das Fachbuch steht enorm unter Druck. Diese Situation ist auch der strikten Trennung zwischen Fachbuch und Sachbuch geschuldet: das Fachbuch verbietet sich, so die stillschweigende Übereinkunft, jeden Flirt zwischen Text und Lesenden. Mit Hochmut wurden und werden Bibliotheksleichen produziert. Der Stil war und ist stillos. Dieses Phänomen ist etwa den angelsächsischen Ländern unbekannt.
Um das Sachbuch kaufattraktiv zu machen, haben die Verlage eine zunächst klug anmutende Strategie eingeschlagen: sie gründeten eine Verlagskooperation für Uni-Taschenbücher, abgekürzt UTB, Signalfarbe rot, akzeptabler Verkaufspreis. 1500 Lehrbücher sind im Angebot. Auch die evangelische Theologie ist kräftig vertreten. Aber ach! Der Protestantismus ist für das Lehrbuch nicht erfunden worden. Seit der von Heroen wie Hirsch und Troeltsch ausgerufenen Umformungskrise des Protestantismus, ist ein Wettstreit ausgebrochen, wer am radikalsten oder klügsten oder nachhaltigsten umformen kann. Allenfalls ein schwacher Konsens ist auszumachen, der sich unter den Begriffen wie Entsubstanzialisierung, Historisierung, nach-metaphysisch versammelt. Auch dieser Konsens ist inzwischen wackelig, weil die Metaphysik zurück im Diskurs ist. Und weiterhin ungelöst ist der Streit zwischen Deutungstheoretikern, die von der Religion ausgehen, und Anhängern einer hermeneutischen Theologie, die mit dem Offenbarungsbegriff starten. Was sich als Lehrbuch tarnt, ist häufig ein hoch individueller Entwurf, der kaum mehrheitsfähig ist, aber mit dem Verkaufsargument auftritt, den aktuellen Stand der Debatte zu präsentieren. Das ist meistens Fake. Wer sich diesem Muster nicht anbequemt, wird in den Verlagen gerne als eigenwillig abgestempelt.
Ein zweites Dilemma kommt hinzu: Die Konzentration auf die Lehrbücher hat eine Essay-Kultur, die in Deutschland nie sehr hoch im Kurs stand, nahezu ausgetrocknet. Kaum ein Verlag wagt einen Versuch. Versuch wird als Versuchung verstanden, zumindest so lange, bis externe Geldquellen erschlossen werden.
UTB – das ist nicht die Lösung, sondern Teil des Problems. Der Protestantismus ist allenfalls in Maßen lehrbuchtauglich. Gott sei Dank.
Klaas Huizing
Klaas Huizing ist Professor für Systematische Theologie an der Universität Würzburg und Autor zahlreicher Romane und theologischer Bücher. Zudem ist er beratender Mitarbeiter der zeitzeichen-Redaktion.