Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Der Weg zur Gerechtigkeit bleibt ein dauerhafter Prozess
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Klassismus. Seit mehr als 300 Jahren gibt es das Wort, und wenn wir genau hinschauen, stehen die Themen, die ihm Bedeutung verleihen, schon in der Bibel. Historisch betrachtet ist es ein Phänomen aller Gesellschaften. Schauen wir auf die ver­gangenen 300 Jahre. Dieser Zeitraum gleicht einem intensiven Erprobungsraum für den Versuch,  Diskriminierung zu beenden oder zu mildern. In dieser Zeit hat es dazu immer wieder Aushandlungsprozesse gegeben  nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Waren andere Gesellschaftsformen erfolgreicher? Ist eine von Universalismus geprägte Gesellschaft näher an dem Ziel, Diskriminierung zu beenden, als eine vom Individualismus geprägte? Gab oder gibt es eine Gesellschaftsform, die signifikant erfolgreicher ist als andere? Wir kennen die Miss­erfolge: In dem Versuch  einer strukturellen Verbesserung der Gesellschaftsverhältnisse sind die kommunistischen Konzepte krachend gescheitert. Die besonders radikalen Versuche durch Kulturrevolutionen, wie beispielsweise die von Mao oder Pol Pot, haben Millionen Opfer gefordert, die Menschen entwurzelt und einen neuen Klassismus geschaffen, ohne den alten abzulösen.

Auch die Prozesse des reinen Marktes bildeten keine Schutz gegen Diskriminierung aus: Die Toten bei Arbeitsunfällen  während der Industrialisierung wurden ebenso hingenommen wie heute die Toten bei Stadionbauten für  Weltsportereignisse. Gleiches gilt für die Arbeits- und Lebensbedingungen derjenigen, die diese Arbeiten körperlich  unbeschadet verrichteten. Und für die Chancen ihrer Kinder. Im US-Bundesstaat Iowa sollen jetzt die Arbeitsgesetze geändert und Kinderarbeit ermöglicht werden. Zwar sieht das Gesetz unspezifisch vor, dass die Gesundheit der Jugendlichen und ihre schulischen Verpflichtungen nicht beeinträchtigt werden dürfen, aber in Zukunft sollen Vierzehnjährige auch an Schultagen bis 21.00 Uhr arbeiten und dafür selbstständig dazu Arbeitswege bis zu 80 Kilometer zurücklegen dürfen.

Kein Modell für uns. Im vorläufigen Ergebnis der Aushandlungsprozesse in Deutschland steht die Soziale Marktwirtschaft als eine sehr protestantisch geprägte Gesellschaftsordnung. Dietrich Bonhoeffer hatte einen der drei Freiburger Kreise um ihren Entwurf gebeten – als Gegenentwurf zur diktatorischen Gesellschaftsordnung der Nazis. Darin heißt es: „Der Mensch kann an seiner sittlichen Person und an seiner Seele Schaden leiden, wenn er sich in freiem Wettbewerb hemmungslos dem Ringen um irdischen Besitz ergibt, nicht minder jedoch auch, wenn er im Dienste eines vergötzten Kollektivs ausgebeutet wird oder gar andere aus­beutet. Immer wird die Gesinnung entscheidend sein, welche die Durchführung einer Wirtschaftsordnung beherrscht. Jeder weltliche Totalitätsanspruch, gerade auch der eines Kollektivismus, verstößt gegen das erste Gebot.“

Summa: Weder Freiheit noch Gleichheit wird es ohne Brüderlichkeit und Toleranz und Vielfalt geben, weshalb die Arbeit an einem Ende von Diskriminierung ein dauerhafter Prozess ist, in den wir unsere christliche Haltung aus unserem Glauben einzubringen haben. 

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Friedhelm Wachs

Friedhelm Wachs ist Unternehmer, Vorsitzender des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) und Herausgeber von zeitzeichen.


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