Verschwörungstheorien im Mantel theologischer Reflexion?
Kürzlich veröffentliche Günter Thomas, Professor für Ethik und Fundamentaltheologie in Bochum, auf zeitzeichen.net „13 Thesen“, in denen er sich kritisch mit der Haltung kirchlicher Akteure zur Klimapolitik auseinandersetzt. Der Hamburger Pfarrer und Umweltexperte Constantin Gröhn widerspricht ihm entschieden.
„Wieviel ukrainisches Blut klebt ganz ungeplant an den Händen derer, die den Atom- und den Kohleausstieg vorangetrieben haben? Wieviel an den Händen der Kirche, die Fracking zur Bekenntnisfrage erhob?“ fragt der Professor für evangelische Theologie Günter Thomas auf zeitzeichen.net. Seine Thesen und Fragen erinnern an eine Rhetorik des Kulturkampfes, wie er auf religiösem Gebiet vor allem aus Amerika vertraut ist. Dabei entsteht der Eindruck, dass der Lehrstuhlinhaber für evangelische Ethik und Fundamentaltheologie an der Bochumer Ruhr-Universität eine Art Propagandaschlacht um das Umweltengagement der Kirche führt, zu klimapolitischer Untätigkeit anstiftet und Desinformation zur Klimabewegung streut. Die Spurensuche dorthin aber macht vorher noch einen Schlenker.
Hamburg, 7. September 2022: 17 Grad am Morgen, Regen. So war es vorausgesagt, und so ist es gekommen. Ich bin trotzdem mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren, und ich bin trotzdem nass geworden. Denn die Regenhose ist irgendwo, und ich habe darauf vertraut, dass ich schon irgendwie trocken bleibe. Vielleicht habe ich mir auch einfach keine Gedanken gemacht. Das ist menschlich. Vielleicht ist es auch sinnbildlich. Den Humor aber lasse ich mir doch nicht nehmen! Oder vielleicht doch? Gibt es den Moment, wo der Spaß aufhört und wo wir nicht mehr über Wetter und unpassende Kleidung reden, sondern über Klima, Veränderung, Extreme, und wir können es nicht mehr ignorieren?
Der gern polarisierende Theologieprofessor Günter Thomas schreibt in seinem jüngsten Dreiteiler auf zeitzeichen.net: „Wo der Witz endet, beginnt in jeder Gesellschaft heiliges Territorium. Über den Papst darf in westlichen Gesellschaften heute jedermann Witze machen, über Greta Thunberg als Wächterin der Natur nicht“ (seine „5. Baustelle“ evangelischer Schöpfungstheologie).
Einfach der Mund verboten?
Ist das wirklich so? Sind Klimaschützer ein humorloses Volk ohne Abstand zu sich selbst? Und wird den anderen, die wenigstens mal über sie herziehen wollen, dann auch einfach so der Mund verboten? Ein Blick auf den Bundestagswahlkampf im letzten Jahr belehrt uns eines Besseren: Unsere ehemalige Kanzlerin Angela Merkel warnte vor einem Deutschland, indem es zugehe wie in den USA unter Donald Trump, und meinte dabei wohl auch Teile ihrer eigenen Partei. Besonders barsch ging es auf dem Twitter- und Instagram-Account „CSU.memes“ zu, der witzig gemeinte Karikaturen verbreitet: Annalena Baerbock im Transportcontainer eines Lastenfahrrads mit der Überschrift „Das einzige Fortbewegungsmittel, das unter der mittelalterlichen Herrschaft der Annalena Baerbock erlaubt ist“.
So und so ähnlich wurde ein Wahlkampf geführt, der sich nicht auf die eigene Position bezieht, sondern versucht, die Gegner zu diffamieren. Wer so unterwegs ist, zögert nicht, seinen vermeintlichen Kontrahenten Positionen zu unterstellen, die sie gar nicht vertreten. Man könnte dies als normales Wahlkampfgeschäft und Schnee von gestern abtun. Aber nahezu jeden Tag wird in sozialen Medien auf diese Weise polemisiert und leider allzu oft auf Kosten des Klimaschutzes. Das Netz wimmelt nur so von lächerlich machenden Karikaturen, emotionalisierenden Memes und Frames zu Greta Thunberg, Fridays for Future oder anderen, denen unterstellt wird, sie würden es mit der Klimakrise und den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung übertreiben. Auch heute noch twittert es: „What did the socialist use before candles? Electricity.”
Es ist ein schmaler Grat, der hier beschritten wird und der schnell zu radikalisierten Positionen und Verschwörungstheorien führt, weswegen Angela Merkel 2021 auch zur Zügelung gemahnt haben wird. Besonders das vom Verfassungsschutz des Bundes als rechtsextrem eingestufte „Compact. Magazin für Souveränität“ und die AfD haben die „Öko-Diktatur als heimliche Agenda der Grünen“, die „Klima-Religion“ und den Topos „Tiere schützen, Menschen töten“ als sogenannten „inhumanen Flügel der ökologischen Bewegung“ für sich entdeckt (alle diese Zitate entstammen der 22. Sonderausgabe des Compact-Magazins zu diesem Themen-Komplex; auf zahlreichen Social Media-Posts und Links lassen sie sich ebenso finden).
Verbleiben im Ungefähren
Der Bochumer Systematiker Günter Thomas weist in seinen Verlautbarungen zu diesen Gedankenwelten eine bedenkliche Nähe auf. Auch in seinem jüngsten Beitrag „Unsere 13 Baustellen. Warum sich evangelische Theologie ehrlich machen sollte“ bringt er zahlreiche Beispiele dafür, wie auf solch besondere Weise ein Strohmann-Wahlkampf gegen das „Who is Who der kirchlichen NGOs“, die evangelische „Ökotheologie“ oder die zur „moralischen Agentur“ verkommene EKD beziehungsweise Kirche geführt wird, ohne dass sich den Leserinnen und Lesern wirklich erschließt, wer nach Thomas als Elite noch so alles dazugehören sollte. Das Ungefähre ist genau genug.
Nur selten wird der Professor konkret und nennt Dorothee Sölle und Jürgen Moltmann als Beispiele einer atheistischen oder posttheistischen Theologie, welche, weil sie ihre eigene Religionslosigkeit nicht aushalte, die Natur an sich heiligspreche (5. Baustelle nach Thomas). Auch in dieser Analyse, die Moltmann und Sölle eine unbelegte und eher unzutreffende Einseitigkeit unterstellt, ist der Theologieprofessor auf der gleichen Linie von Beiträgen des 22. Compact-Magazins. Dort erklärt zum Beispiel Jonas Glaser in „Gute Natur, böser Mensch“, wie Naturmystik letztlich eine Öko-Diktatur und Entsolidarisierung des Menschen mit seiner eigenen Art legitimiere. Statt Mystik und Entsolidarisierung lediglich spricht Thomas von „Heiligsprechung der Natur“, deren „Rückseite […] ein versteckter oder offener Antihumanismus“ sei.
Wie ernst Thomas dies meint, wird deutlich, wenn er mit einem Katalog von Suggestivfragen fordert, dass protestantische Christen sich nicht als „potenzielle oder reale Jakobiner oder Zeloten“ erweisen sollten (13. Baustelle), also als radikale Gläubige, die über Menschenopfer gingen, wie es die assoziative Anspielung auf die Schreckensherrschaft der Französischen Revolution und biblisch-religiöse Eiferer nahelegt. Direkt aussprechen tut er dies aber nicht.
„Bullerbü“-Mentalität statt Sozialismus
Die im Compact Magazin und rechtspopulistischen Kreisen immer wieder eingestreute These, dass die Grünen und alle Klimaaktivist*innen am liebsten den Sozialismus in Deutschland einführen würden oder zumindest so etwas Ähnliches, findet sich in Thomas‘ „Unsere 13 Baustellen“ jedoch nur in Ansätzen. Er spricht angesichts geopolitischer Konflikte von einer „Bullerbü“-Mentalität „der protestantischen Kirchen mit ihrer Umweltethik“ (11. Baustelle; die AfD-Fraktion in Hamburg schreibt auf ihrer Webseite: „Der Krieg zeigt: Bullerbü-Politik der Linksgrünen muss Ende haben“). Auch das „ökomoralische Germany first“ oder Stichworte wie „Ökobauernromantik der deutschen Mittelschicht“ weisen in diese Richtung.
Wie auch im amerikanischen Kulturkampf scheint Thomas nahezu durchgehend die Doppel-Strategie von Diffamierung („Ein Pfarrer, der bei ‚Extinction Rebellion‘ mitmacht, annonciert sich als Vorbild…“) und Desinformation („Ökologische Landwirtschaft verbraucht mehr Landfläche und emittiert doppelt so viel CO2?“, beide Zitate entstammen der 13. Baustelle) fortzuführen. Dass trotz des Fragezeichens solch bedenkliche Verkürzungen und Halbwahrheiten nicht als Zeichen theologischer Reflexivität verstanden werden können, leuchtet ein. Denn, um bei dem Beispiel zu bleiben, trotz des tatsächlich höheren Flächenverbrauchs ökologischer Landwirtschaft belastet konventionelle Landwirtschaft durch Dünger und Pestizide Böden, Wasser und Luft. Und für den Klimaschutz brauchen wir gesunde Ökosysteme, wie auch bei genauem Lesen die Studie des Instituts für Energie und Umweltforschung Heidelberg darlegt, auf die sich manche Tageszeitungsartikel bezogen haben und vielleicht indirekt auch Thomas.
Die Fülle solcher und ähnlicher Beispiele, zu denen Thomas als Professor auch nicht an einer Stelle nur einen einzigen Beleg anführt, ist daher auch nicht gerade beispielhaft dafür, dass wir als evangelische Christen „Ambivalenzspezialisten“ zu sein hätten, wie er es in der 13. Baustelle fordert. Sie dient vielmehr der Zerstreuung und Verwirrung um potenzielle Gegenargumente zu entkräften. Dabei mit Thomas von einem Sachverhalt zum nächsten springend, macht es denjenigen, die sich hierbei auf einen inhaltlichen Diskurs einlassen wollen, nahezu unmöglich, ausführlich und differenziert das Ausgesprochene richtig zu stellen. So bleiben fragwürdige Aussagen im Raum stehen und können ihre Wirkung entfalten.
Anfällig für Verschwörungstheorien
Dass sich die gesellschaftspolitische Polarisierung und Anfälligkeit für Verschwörungstheorien auch kirchlich spiegelt, untersuchte etwa erst kürzlich der evangelische Theologe Matthias Pöhlmann in seinem Buch „Rechte Esoterik“. Dass aber nicht nur mit Günter Thomas, sondern auch mit seinem Nürnberger Kollegen Ralf Frisch, der in seinem letzten Beitrag auf Zeitzeichen das „Jammertal der Großen Ökologisch-Theologischen Kulturrevolution“ heraufkommen sieht, gleich zwei Theologieprofessoren für Evangelische Ethik Inhalte zum Klimaschutz veröffentlichen, die eine Nähe zu Verschwörungstheorien zu haben scheinen, überrascht dann doch.
Dabei ist zu bedenken, dass sich nach einer vor kurzem veröffentlichten Studie des Institute for Strategic Dialogue (ISD) und der über 20 Mitglieder umfassenden Koalition Climate Action Against Desinformation (CAAD) das Ausmaß und die Vielfältigkeit der Klima-Desinformation verändert hat. So hat die Auswertung von zahlreichen Posts und Tweets zum UN-Klimagipfel letztes Jahr in Glasgow gezeigt, dass Klimadesinformation komplexer geworden ist und sich von offener Leugnung zu erkennbaren Diskursen der Verzögerung entwickelt hat.
Diese ließen sich auch bei Günter Thomas identifizieren, wenn er etwa in seiner 9. Baustelle vorschlägt, sich in den Landeskirchen nicht dem Bedürfnis rasch umsetzbarer Klimamaßnahmen innerhalb der Organisation zu ergeben: „Der Preis […] wäre zweifellos ein Weniger an moralischer Eindeutigkeit und ein Weniger an beanspruchtem Tempo“. Aber ein substanzieller Beitrag zur Politik sei eher, so Thomas, wenn eine Landeskirche den „ökologischen Umstellungsproblemen“ aller zu ihr gehörenden Haushalte nachkomme (Was genau meint er damit? Finanzielle Entlastungen angesichts der Energiekrise?).
Vermeintliche Hindernisse
Was durch die Strategie der Verzögerung erreicht wird, ist – da der anthropogene Klimawandel sich kaum noch leugnen lässt – die Lücke zu besetzen, die sich zwischen den als wirkungsvoll identifizierten Maßnahmen und dem entsprechenden Handeln auftut. So kann die gesellschaftliche Leerstelle mit ökologisch nicht zielführenden Ideen, verunsichernden Fragen, künstlich kreierten Dilemmata und immer wieder neuen, vermeintlichen Hindernissen gefüllt werden. Thomas scheint diese veränderte Strategie, die immer noch emotional polarisiert, aber subtiler geworden ist, zu bedienen. Sie ist weniger ein Faktenkrieg, sondern ein Culture War, ein Kulturkampf mit polemischer „Streumunition“.
Die extreme Rechte hat die Angst vor Einwanderung, Eliten und Multikulturalismus geschürt. Jetzt richten Extremisten ihre Aufmerksamkeit zumeist online auf die angebliche Bedrohung durch die grüne Agenda. Nach Covid ist Klima die neue Front. So wie Covid seine eigenen digitalen Allianzen hervorgebracht hat, ist der Klimawandel zu einem weiteren Schmelztiegel geworden. Ehemals unterschiedliche Bewegungen, Ideologien und Akteure können hier eine gemeinsame Sache und ein gemeinsames Feindbild finden.
Insbesondere das Virus und die damit verbundenen Maßnahmen haben einen Konflikt über die Ausweitung staatlicher Macht und deren Auswirkungen auf die individuelle Freiheit ausgelöst. „Dass der offizielle deutsche Protestantismus mit seiner ökologischen ‚Gott mit uns‘-Haltung sich von Freiheitsrechten und Demokratie verabschiedet“, wie der Günter Thomas (2. Baustelle) schreibt, wäre in dieser Logik nur konsequent. Auch dass der Bochumer Professor den patriotischen Aufruf „Gott mit uns“, mit dem insbesondere die protestantischen Kirchen die Kriegsbegeisterung zum Ersten Weltkrieg schürten, hier mit der ökologischen Frage verbindet, erinnert an den rechtspopulistischen Kulturkampf: Voneinander unabhängige Themen werden kombiniert, um mit martialischen Assoziationen Angst zu schüren.
Scheinbar „glaubwürdige“ Bezugspunkte
Günter Thomas und sein Kollege Ralf Frisch sind in dieser Art, Artikel zu schreiben, Wiederholungstäter. Allein auf zeitzeichen sind sie durch eine Reihe von Artikeln wie „Jenseits von Eden und Blühromantik“, „Mao Reloaded. Wohin radikale Klimatheologie führt“ oder „Zwischen Klimahysterie und Klimahäresie“ aufgefallen. Die Studie von ISD und CAAD zeigt, dass es zumeist kleine Gruppen von Eiferern sein können, die einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Verbreitung und den Vertrieb von klimatischer Desinformation haben.
Aber auch die Redaktion der renommierten theologischen Zeitschrift Zeitzeichen spielt mit. Trotz aller auch ganz gegenläufiger Artikel verstärkt und legitimiert sie klimaskeptische Ansichten durch deren Publikation und bietet wiederum scheinbar „glaubwürdige“ Bezugspunkte für Experten und aufmerksamkeitsstarke Accounts in den sozialen Medien.
Dass Günter Thomas‘ letzter Teil seiner jüngsten Trilogie zur „Schöpfung“ am 29. August erschien, hatte dann noch einen besonderen Beigeschmack. Denn der Beitrag wurde kurz vor der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe gebracht, bei der Erderwärmung und Artensterben als Gottesfrage Gewicht bekommen sollte und Stimmen des Globalen Südens mit ihren berechtigten Forderungen nach Gerechtigkeit in der Klimakrise Gehör zu finden suchten (die informative wie bewegende Abschlusserklärung des Weltkirchenrats findet sich hier).
Noch paradiesische Bedingungen
Zugleich veröffentlichte zeitzeichen den letzten Teil von Günter Thomas‘ Klimadesinformation zwischen den wenigen Nachrichten in deutschen Medien zur verheerenden Flutkatastrophe aus Pakistan, bei der 33 Millionen Frauen, Männer und Kinder betroffen waren – eine weitere Klimadystopie, die Realität geworden ist. Dies war der Moment, bei der Thomas mich dann doch „verbiestert“ erwischte als jemand, der gerade wenig Humor besitzt und mit ihm gar nicht über seine Polemiken lachen mag.
Es ist der Redaktion von zeitzeichen im Allgemeinen und dem zeitzeichen-Redakteur Stephan Kosch im Besonderen jedoch zu Gute zu halten, dass dieser selbst einen Text zu Günter Thomas und dessen verzerrten Wahrnehmungen in der Diskussion um Klimaschutzprogramme, ökologische Bewegung und Schöpfungstheologie veröffentlichte. Dabei stellte er auch dessen Täter-Opfer-Umkehrungen heraus. Schließlich sterben Menschen nicht in Folge übertriebenen Klimaschutzes, sondern weil dieser nicht ausreichend forciert wurde und wird.
Ich halte die Reflexion unserer eigenen Kirchengeschichte, in der wir heute erkennen, wie fehlgeleitet mancher Zeitgeist kirchlicher Verkündigung war, für überaus wichtig. Ich komme dabei allerdings zu ganz anderen Schlüssen als Günter Thomas, auch in Bezug auf das Evangelium. Noch leben wir in Europa trotz aller Zerstörungen klimatisch unter recht paradiesischen Bedingungen. Wenn wir hier aber nicht bald noch überlegter und entschiedener gegensteuern, können wir tatsächlich nur noch Jenseits von Eden und Blühwiesenromantik auskommen.
Desinformation als Spiel mit dem Feuer
Was uns bleibt, ist nichts anderes, als der von Thomas, wenn auch anders, geforderte Realismus geopolitischer Konflikte um die weniger werdenden Ressourcen. Selbst wenn ein breiter Konsens über die Realität des Klimawandels besteht, liegt noch ein langer Weg vor uns und das Zeitfenster für einen politischen Wandel, der den Warnungen des Weltklimarates (IPCC) und den Zielen des Pariser Abkommens entspricht, wird immer kleiner. Maßnahmen durch Fehlinformationen und Desinformation zu verzögern, ist ein Spiel mit dem Feuer, auch theologisch.
Noch aber ist nichts verloren, noch können wir, Gott sei Dank, auf manchen Wegen paradeisen. Der hoffnungsvolle Realismus aber, mit denen Christen und das Schiff der Gemeinde nach Thomas „durch das Meer der Zeit“ navigieren sollen (Abschlusssatz der 13 Baustellen), wurde diesen Sommer verdrängt vom Bild der Hamburger Elbmündung. Nach einer außergewöhnlichen Dürre und den extrem niedrigen Pegelständen konnte kaum noch ein voll beladendes Schiff sie durchqueren.
Die von Thomas in der 13. Baustelle propagierte Hoffnung aber, welche den als sinnvoll erkannten, kirchlichen Handlungsmöglichkeiten zum Klimaschutz zu misstrauen scheint, wirkt nicht realistisch, sondern illusionistisch. Sie gibt keinen echten Trost, sondern lässt die notwendig gewordenen Veränderungen bedrohlich erscheinen. Lediglich den Privilegierten und den Profiteuren des Status quo spielt sie in die Hände. Bevor wir uns als „Ambivalenzspezialisten“ brüsten, sollten wir die Komplexität der Nachhaltigkeitsforschung zur Kenntnis nehmen und daraufhin die gesellschaftspolitischen Implikationen von theologischen Texten und Aussagen zum Klimaschutz prüfen.
Constantin Gröhn
Dr. Constantin Gröhn ist wissenschaftlicher Referent für Theologie und Wirtschaftsethik beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Nordkirche.