Status und Profil

Punktum
Foto: Rolf Zöllner

Vor einiger Zeit habe ich mich an dieser Stelle beschwert darüber, dass niemand mehr seine Mailboxen abhört oder eine Nachricht auf die meinige spricht. Nun, die Lage hat sich nicht verbessert. Im Gegenteil: Die gleiche Person, die damals das Ende der Mailbox verkündete, sagte neulich in einem Gespräch zu mir: „Du hast offenbar meinen Status nicht zur Kenntnis genommen!“ Klingt klassistisch, ist es aber nicht, sondern nur eine Weiterführung des Mailbox-Themas.

Zur Klärung des Sachverhaltes für die­jenigen, die nicht WhatsApp nutzen: Man kann den eigenen „Status“ ändern, indem man Bilder und Texte hochlädt. Dann bekommt das Profilbild einen Ring und wer möchte, kann sich an den gemachten Erfahrungen des anderen Menschen erfreuen. Ich betone: Wer möchte! Und ich möchte nicht immer. Bestimmt sorgten dieser Eisbecher, diese Schweinshaxe und genau dieser Waldweg in diesem Augenblick bei diesem Menschen für ganz persönliche Glücksgefühle. Aber muss ich immer alles mit allen teilen, was sie teilen?

Offenbar, denn ein wenig beleidigt war meine Gesprächspartnerin schon. Den gestandenen Protestanten in mir erinnerte diese Szene an so manche Kirchen­gemeinden. Sie versuchen schon, den Gottesdienst ab und an auch für Kirchenferne interessant zu machen. Oder einen Gesprächsabend mit einem ganz besonderen Gast auf die Beine zu stellen. Und das veröffentlichen sie im Gemeinde­kasten oder im Gemeindebrief. Man ändert also den Status – und niemand merkt es. Zumindest nicht die, die nicht eh schon im Sonntagsgottesdienst sitzen, die Ankündigungen hören und den  emeindebrief mitnehmen.

Was könnte helfen? Den Innercircle des eigenen Profils durchbrechen, nicht nur auf WhatsApp. Raus auf den Markt, in die Kneipen und Fußgängerzonen. Handzettel tatsächlich von Hand zu Hand verteilen mit freundlichem Blick. Das wäre mal was. Notfalls auch mal die anrufen, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Aber Vorsicht, wenn die Mailbox angeht: Nicht draufquatschen. Es hört wirklich keiner mehr ab. 

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Foto: Rolf Zöllner

Stephan Kosch

Stephan Kosch ist Redakteur der "zeitzeichen" und beobachtet intensiv alle Themen des nachhaltigen Wirtschaftens. Zudem ist er zuständig für den Online-Auftritt und die Social-Media-Angebote von "zeitzeichen". 


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