Gott ist der Gott aller Menschen

Warum Mission Dienst, Zeugnis und Gespräch bedeutet und nicht Religionswechsel
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Gott, wie Jesus ihn verkündet hat, ist der Gott aller Menschen und nicht der Stammesgott der Christen. Seine Barmherzigkeit steht allen Menschen offen. Die Vorstellung, dass der Mensch dieser Barmherzigkeit allein durch die christliche Taufe teilhaftig werden könne, widerspricht der Barmherzigkeit selbst.

In den sieben Jahrzehnten seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben viele Kirchen mit der Frage gerungen, ob sie Juden "missionieren" sollen. In der Denkschrift "Christen und Juden III" (2000) hat sich die EKD klar gegen eine Fortsetzung der Judenmission ausgesprochen, insofern darunter die "Verbreitung christlichen Glaubens unter jüdischen Menschen" verstanden werde. An die Stelle einer Mission, die auf Bekehrung von Juden zum Christentum abziele, sollten vielmehr "Zeugnis", "Dienst" und die "Förderung des Gesprächs" treten. Unter den Argumenten, die die EKD für ihre Position anführt, spielt eines eine besondere Rolle: Die Einsicht, dass der Versuch, aus Juden Christen zu machen, auf die Beseitigung des Judentums als Religion abzielt - eine Zielsetzung, die man sich nach der Shoah nicht mehr zu eigen machen konnte und wollte. Zugleich war man sich dessen bewusst, dass Judenmission von jüdischer Seite tatsächlich als Existenzbedrohung empfunden wird: "Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat mehrfach in offiziellen Äußerungen zum Ausdruck gebracht, dass er in missionarischen Aktivitäten eine Bedrohung jüdischer Identität und Existenz in Deutschland sieht." ("Christen und Juden III" EKD-Denkschrift Nr. 144, 3.1.3) Jeden, der eine auf Bekehrung von Muslimen zum Christentum abzielende Mission befürwortet, möchte ich daher fragen: Warum sollten diese Überlegungen für den Islam nicht gelten? Eine solche Mission an Muslimen stellt für den Islam in Deutschland nicht weniger eine Existenzbedrohung dar als für Juden. Das Muslimische Forum hat Recht, wenn es in seinen Berliner Thesen erklärt: "Im Exklusivismus liegt eine Grundlage für Gewalt." Dies gilt für alle Religionen. Es muss doch möglich sein, sich zu dieser Einsicht durchzuringen, ohne erst erneut durch so grauenvolle Erfahrungen wie die der Shoah hindurchzugehen.

Verantwortung gegenüber der Welt

Der wesentliche theologische Grund, um zu einer auf Religionswechsel abzielenden Mission auf Distanz zu gehen, ist die gut begründete Zuversicht, dass allein Gott - und nicht eine religiöse Institution - die Ursache des Heils ist. Und weil Gott, wie Jesus ihn verkündet hat, tatsächlich der Gott aller Menschen ist und nicht der Stammesgott der Christen, steht Gottes Barmherzigkeit auch allen Menschen offen. Die Vorstellung, dass der Mensch dieser Barmherzigkeit allein durch die christliche Taufe teilhaftig werden könne, widerspricht der Barmherzigkeit selbst. So wie Gott gemäß der Bergpredigt allen Menschen, gerechten wie ungerechten, in gleicher Weise Wasser und Licht und damit die Grundlagen des biologischen Lebens gibt, so enthält Gott den Menschen, getauften wie ungetauften, auch das nicht vor, was sie zum "ewigen Leben" brauchen. Wer akzeptiert, dass es für Juden einen heilshaften Bezug zu Gott ohne die christliche Taufe gibt, hat keine guten theologischen Argumente, dies für alle anderen Menschen zu bestreiten.

Doch "Mission" muss keineswegs als die Gewinnung von Proselyten verstanden werden. Wie im Hinblick auf Juden und das Judentum, so kann und sollte christliche Mission auch gegenüber Muslimen und dem Islam Dienst, Zeugnis und Förderung des Gesprächs bedeuten. Missionstheologisch ist dieses Verständnis von "Mission" am besten im Sinne der missio dei einzuholen: "Mission" ist eine Sendung, die von Gott selber herkommt. Es geht bei ihr - recht verstanden - um die Verantwortung des Menschen in und gegenüber der Welt, eine Verantwortung, die in der göttlichen Bestimmung unseres Lebenssinns wurzelt. Es handelt sich dabei keineswegs nur um die Sendung einer einzigen Religion, sondern um eine allen Menschen auferlegte "Sendung". Und schon gar nicht handelt es sich um eine Mission, bei der sich eine Religion einbilden dürfte, alle anderen Religionen durch sich selbst verdrängen und ersetzen zu müssen. Diese Form von "Mission" hat ungezähltes Unheil und Leid gebracht. Sie bekämpft die Vielfalt der göttlichen Selbstbezeugung und der menschlichen Gottesverehrung, vermeintlich im Namen Gottes, obwohl diese Vielfalt doch ebenso auf Gott zurückgeht wie die Vielfalt in der Schöpfung, die sich ja auch in der Vielfalt der Religionen spiegelt.

Vorbehaltlos Barmherzig

Das Wort "Mission" ist allerdings so eng mit der Anstrengung verknüpft, Menschen zum Religionswechsel zu bewegen, dass es schwer sein dürfte, dieses Wort dauerhaft umzuprägen. Worauf aber kommt es der Sache nach an, wenn wir "Mission" als Dienst, Zeugnis und Gespräch im Kontext der Begegnung zwischen Christen und Muslimen verstehen? Zunächst ist es wichtig, jede diakonische Hilfestellung für Muslime, die von Christen und christlichen Einrichtungen geleistet wird, völlig freizuhalten von dem Eindruck, konkrete praktische Hilfen könnten letztlich doch einer versteckten missionarischen Agenda dienen. Für jeden Muslim muss ohne allen Zweifel deutlich sein, dass ihm oder ihr nicht deshalb geholfen wird, weil damit die Erwartung verknüpft ist, sich dem Christentum zuzuwenden. Diakonie darf keinem anderen Zweck dienen als der selbstlosen Hilfe. Alles andere wäre gerade nicht Ausdruck der vorbehaltlosen Barmherzigkeit Gottes. Christen, die Muslimen beistehen, sollten dies mit einer klaren Achtung vor der religiösen Identität von Muslimen verbinden. Das betrifft gerade auch jene Hilfe, bei der es darum geht, Muslimen Arbeitsmöglichkeiten zu geben. Es ist unerträglich, weil dem Geist Jesu selbst widersprechend, wenn eine evangelische Einrichtung einer muslimischen Pflegerin die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz verweigert, weil diese bei ihrer Arbeit ihren Glauben durch ein Kopftuch ausdrücken wollte.

Ebenso legitim ist es, dass Christen in der Begegnung mit Muslimen ihren Glauben bezeugen. Gerade wenn sie nicht anderen Zwecken dient, ist die diakonische Hilfe selbst bereits ein solches Zeugnis. Natürlich können und werden Christen auch davon sprechen, wie sie sich durch Jesus dazu ermutigt sehen, ihr Vertrauen auf Gott zu setzen. Solches Zeugnis ist nicht Aufforderung zum Religionswechsel, sondern Einladung zum Gespräch. Sonst würde man verkennen, dass Menschen auch durch den Islam zum Vertrauen auf die Gnade Gottes motiviert werden. In einem im Islam besonders geschätzten Hadith spricht Gott, er habe von Anbeginn der Schöpfung an beschlossen, dass sein Erbarmen seinen Zorn besiegt. Der Sieg der Gnade über den Zorn angesichts menschlicher Sünde - dies ist reines Evangelium. Hier erscheint es als die Mitte der koranischen Botschaft. Wechselseitiges Zeugnis führt zum Gespräch, zu einem Gespräch, bei dem sich so mancher scheinbar unüberwindliche Glaubensgegensatz als vordergründig erweisen kann. Das ist die Chance, die Gott für uns beide - Christen und Muslime - bereithält.

Klaus Jürgen Diehl: Theologische Bankrotterklärung

Perry Schmidt-Leukel

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