Wenn Sie ADAC-Mitglied sind, kennen sie die "ADAC-Motorwelt". Das ist eine Zeitschrift. Mich begleitet sie schon seit Jahrzehnten. Sie spielt schon lange in der Liga der langweiligsten Druckerzeugnisse ganz oben mit.
Ich höre schon die Unkenrufe: Wer im Glashaus sitzt ... - Davon lasse ich mich nicht irritieren, also weiter im Text:
Auf den ersten Blick lässt sich aus der "Motorwelt" gar nicht ablesen, dass der ganze ADAC eine Entwicklung durchgemacht hat. Und doch ist es so: Weder plädiert er noch dafür, überall da eine Autobahn zu bauen, wo noch keine in Hörweite ist, noch auch will er alle Chausseebäume fällen, um links und rechts der Landstraßen das anzulegen, was man im barocken Festungsbau ein Glacis nannte, also leere Flächen. Einst waren dies ADAC-Forderungen, damals, als PS-Stärken noch ungehemmt gepriesen werden durften - im Namen dessen, was ein gestandener Motorjournalist den "Fahrspaß" nennt. Der wird in der Motorwelt nur noch selten und verschämt beschworen. Leider kam mit der Correctness das Gähnen.
Eines allerdings hat sich in all den Jahrzehnten nicht geändert im Blatt: Die Werbeanzeigen wenden sich überwiegend an Seniorinnen und Senioren. Elektrorollstühle, Luftkissen-Badelifts, Hörgeräte - und Treppenlifts. Der Treppenlift ist der absolute Spitzenreiter. In der letzten Ausgabe zählte ich nicht weniger als vierzehn Anzeigen. Hier wird die demographische Kurve geradezu demonstriert.
Für mich haben diese Anzeigen einen Wiederbegegnungswert. Wahrscheinlich schlage ich die "Motorwelt" nur noch ihretwegen auf. Genauer gesagt: Einer ganz speziellen wegen. Mit ihr begegne ich einem alten Bekannten: Schon seit Jahrzehnten wirbt dieser Mann für "Deutschlands größten Hersteller" (nicht dem einzigen größten, wenn man den Anzeigen trauen darf) von Treppenliften. Wenn Sie ihm begegnen, erkennen Sie ihn gleich. Er thront da in heiterer Gelassenheit in seinem Treppenliftsitz, Fliege statt Krawatte, aber bequeme Strickjacke, englischer Schnurrbart, die Linke hält lässig den Krückstock. Ich spüre förmlich: Dieser Mann genießt das Leben. Und trotzt der Zeit. Dank Treppenlift. Er tut es nun schon lange, sehr lange. Er muss die Hundert längst überschritten haben. Welch mutmachendes Vorbild. Immer noch fährt er Treppenlift, unverdrossen. Daran glaube ich fest. Alles andere würde mich erschüttern. An irgendwas muss man sich ja halten können. Ich jedenfalls werde die Anschaffung eines Treppenlifts nicht scheuen, wenn es so weit ist. Natürlich nur von der Firma, für die besagter Gentlemen wirbt. Sogar meinen BMW würde ich verkaufen. Wenn ich einen besäße. Und natürlich bräuchte ich bis dahin auch noch ein Eigenheim mit einer geeigneten Treppe. Wird schon klappen: Positiv denken tut in jedem Alter not!
Helmut Kremers
Helmut Kremers
war bis 2014 Chefredakteur der "Zeitzeichen". Er lebt in Düsseldorf. Weitere Informationen unter www.helmut-kremers.de .