Gläschen in Ehren

Ein Punktum
Dass die Deutsche Bischofskonferenz die Messweinverordnung von 1976 aufgehoben hat, stärkt auch die Ökumene.

Der Wandel hat nicht nur den Vatikan erfasst, sondern auch die römisch-katholische Kirche Deutschlands. So haben Priester jetzt Wahlfreiheit. Nein, nicht ob sie alleine leben, heiraten oder sich verpartnern. Aber sie dürfen fortan den Abendmahlswein kaufen, wo sie wollen. Bisher kamen nur vom Bischof vereidigte katholische Winzer in Betracht. Nun ist sogar Wein aus dem Supermarkt erlaubt, vorausgesetzt es handelt sich um Qualitätswein. Land- und Tafelwein bleiben weiterhin Tabu. Und das muss auch sein. Jesus hat, wie Johannes erzählt, bei der Hochzeit von Kana das Wasser in guten Wein verwandelt, nachdem der gewöhnliche ausgegangen war. So schalt ihn der Speisemeister: "Du hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten."

Dass die Deutsche Bischofskonferenz die Messweinverordnung von 1976 aufgehoben hat, stärkt auch die Ökumene. Denn Priester dürfen nun auch Abendmahlswein bei evangelischen Weingärtnern kaufen. Und umgekehrt lassen sich Protestanten ja vielleicht von den Qualitätsstandards ihrer römisch-katholischen Mitchristen anregen. In südlichen Ländern wird bei der römischen Messe sogar Marsala und Portwein verwendet.

Da die Katholiken beim Abendmahl Weißwein benutzen, brauchen sie keine Angst vor der asiatischen Kirschessigfliege haben, die hierzulande Rotweinreben befallen hat. Wie viel Messwein in Deutschland jährlich verbraucht wird, ist unbekannt. In Italien, weiß katholisch.de, die Webseite der Deutschen Bischofskonferenz, waren es im Jahr 2000 eine halbe Million Liter. Und demzufolge nimmt ein italienischer Priester, der täglich die Messe feiert, jeden Tag 35 Milliliter zu sich. Ob diese Geistlichen, die auch außerhalb des Gottesdienstes Wein trinken dürften, länger oder kürzer leben als ihre deutschen Kollegen, ist nicht bekannt. Wenn es nach Studien geht, die die "Deutschen Weinakademie" auf ihrer Webseite veröffentlicht, wirkt der "moderate Konsum" von Wein wie eine Arznei. Er dient der "Prävention koronarer Herzkrankheiten", schützt "Frauen vor Rheuma" und "Diabetiker vor Gefäßschäden" und führt zu "weniger Depressionen".

Und was sagt die Bibel? Bei der Hochzeit von Kana erinnerte der Speisemeister Jesus daran, dass "jedermann" (!) bei einer Feier "zuerst den guten Wein" gibt, den weniger guten dagegen erst, wenn die Gäste "betrunken werden". Dass Jesus an dieser Sitte Anstoß nahm, ist nicht überliefert. Ein schwäbischer Pietist soll über Jesu Weinwunder gesagt haben: "Des war net sei bestes Stückle." Ja, Paulus warnt seine Mitchristen in Korinth, "Trunkenbolde" würden das Reich Gottes "nicht ererben". Andererseits rät der Verfasser des Ersten Timotheusbriefes seinem Mitarbeiter, er solle "um des Magens willen" Weinschorle trinken (5,23).

Wenn die einen dies und andere jenes sagen, hilft nur die alte Volksweisheit: "Ein Gläschen in Ehren kann niemand verwehren" - wenn es denn bei einem bleibt.

Jürgen Wandel

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Meinung"