Sie ist weitaus mehr als nur eine unverzichtbare Barriere zur Außenwelt. Und sie dient nicht nur der Reizaufnahme, sondern auch der Reizabwehr. Hinsichtlich ihrer Oberfläche und des Gewichts ist unsere Haut das größte und zugleich auch schwerste aller unserer Organe. Raffiniert geschichtet und mit zahlreichen Besonderheiten ausgestattet, übernimmt die Haut vielfältige Funktionen, wie der Wissenschaftsjournalist Reinhard Lassek berichtet.
Unser Körper ist ein offenes, dynamisches System, das sich im inneren Gleichgewichtszustand, der Homöostase, befindet. Diese beruht auf einer Vielzahl interner Regelungsprozesse, die in der Lage sind, die verschiedenen Systemparameter des Organismus – wie etwa Atemantrieb oder Blutzuckerspiegel – zu kontrollieren. Doch all diese Gleichgewichtszustände funktionieren nur, weil es eine systembegrenzende Umhüllung gibt, die das Innen vom Außen trennt. Wissenschaftlich als Derma oder auch Cutis bezeichnet, schützt die Haut einerseits vor schädlichen Umwelteinflüssen, sorgt andererseits aber auch für den Austausch mit der Umwelt. Sowohl für den Stoffwechsel als auch für die Wärmeregulation ist die Haut unverzichtbar. Überschätzt wird jedoch gemeinhin der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid. Niemand würde wegen unterbundener Hautatmung ersticken. Aufgrund vielfältiger Anpassungs- und Abwehrmechanismen übernimmt die Haut indes wesentliche Funktionen bei der Immunantwort. Sie ist ein funktionaler Alleskönner und dementsprechend komplex geschichtet. Zudem verfügt sie über zahlreiche Sonderbildungen wie Haare, Finger- und Zehennägel sowie Schweiß- und Talgdrüsen. Selbst die Milchdrüsen sind eine spezielle Gewebeausbildung der Haut. Wie Hautkontakte – insbesondere im Säuglingsalter – für soziale Nähe und Bindung sorgen, das ist ein eigenes Thema. Gleiches gilt für die kommunikative Bedeutung des Erbleichens oder Errötens bei veränderter Hautdurchblutung. Das ist willentlich nicht steuerbar und liefert somit ein fälschungssicheres soziales Signal.
Unsere Hautoberfläche ist durchschnittlich 1,73 Quadratmeter groß. Zusammen mit dem Unterhautfettgewebe weist die Haut dabei ein Gewicht von durchschnittlich vier bis fünf Kilogramm auf – im Einzelfall auch schon mal das Doppelte. Je nach Körperregion ist die Haut durchschnittlich nur ein bis zwei Millimeter dick. Auch wenn sie im Innern eine immer tiefergehende Komplexion offenbart, besteht sie aus drei gut voneinander separierten Schichten: Oberhaut (Epidermis), Lederhaut (Dermis) sowie Unterhaut (Subcutis). Epidermis und Dermis werden dabei oftmals funktional zur Cutis zusammengefasst.
Die Oberhaut (Epidermis): Sie besteht aus einem mehrschichtigen Plattenepithel. Auf die äußeren Hornzellen folgen Schichten aus Glanz-, Körner- und Stachelzellen sowie eine nach innen abschließende Basalschicht. Die Oberhaut ist insgesamt nur einen halben Millimeter dick. Wobei die Hornhautschicht an den Fußsohlen oder Händen leicht um einige Millimeter zulegen kann. Solche Hornschwielen sind das Resultat mechanischer Belastungen. Sie entstehen durch Vernarbung der Epidermis. Von besonderer Bedeutung ist die untere Lage der Oberhaut, die Keimschicht. Sie sorgt für die Nach- beziehungsweise Neubildung von Hautzellen. Abgestorbene Zellen der Keimschicht wandern nämlich jeweils in die Hornschicht ein und müssen daher kontinuierlich ersetzt werden.
Die Lederhaut (Dermis): Sie setzt sich sowohl aus einer Papillen- beziehungsweise Zapfenschicht als auch einer Netzstruktur zusammen und ist vornehmlich ein Gebilde aus Bindegewebsfasern. Die obere Lederhaut gibt der Epidermis festen Halt und sorgt zudem über ein fein kapillarisiertes Blutgefäßsystem auch für deren Ernährung. Die untere Lederhaut wiederum enthält jene für die Temperaturregelung unerlässlichen Blutgefäße sowie muskuläre Gewebeanteile. Die bereits erwähnten Hautsonderbildungen wie Haare oder Schweißdrüsen, aber auch die Milchdrüsen sind zwar basal in der Lederhaut verankert, münden aber allesamt in die Oberhaut. Das gilt auch für jene Haarbalgmuskeln, durch deren Kontraktionen die „Gänsehaut“ entsteht.
Die Unterhaut (Subcutis): Sie dient den darüberliegenden Hautschichten als Unterlage und besteht aus subkutanem Fett sowie lockerem Bindegewebe. Ihre Blutgefäße und Nerven sind größer als die in den beiden darüberliegenden Hautschichten. Während in der Lederhaut die Rezeptoren für die Temperaturregelung liegen, sind in der Unterhaut die Mechanorezeptoren für Druckreize lokalisiert. Das allgemeine Relief der Haut weist zudem Eigenschaften auf, die strukturell sowohl in der Oberhaut als auch in der Lederhaut angelegt sind.
Zwei Hauttypen prägen unsere Hautoberfläche: Leistenhaut und Felderhaut. Die Leistenhaut bildet jene Papillarleisten beziehungsweise Linien aus, die kriminaltechnisch eine Fingerabdruckerkennung ermöglichen. Gemeint sind individuelle Muster aus verschiedenen Wirbeln, Bögen, Schleifen und Doppelschleifen. Während die Leistenhaut nur an den Fingern, der Handinnenseite sowie an der Fußsohle vorkommt, sind alle übrigen Hautbereiche durch Felderhaut bedeckt. Deren Oberflächenstruktur weist rhombische Felder auf, die jeweils durch feine Furchen abgegrenzt sind. Da die Oberhaut weniger dehnungsfähig ist als die Lederhaut, fungieren jene Federhautfurchen als Reservefalten. Sie verschwinden, sobald es zur Straffung von Hautpartien bei bestimmten Bewegungsabläufen kommt. Die Felderhaut ist zwar nur ein Zehntel Millimeter dick, beherbergt aber dennoch verschiedenste Sonderausbildungen und Sinneszellen. Das macht die Felderhaut – allein schon von der Fläche her – zu unserem größten Sinnesorgan.
Schutz vor Druck und Unterkühlung
Aufbau und Funktion der Haut könnten also vielfältiger gar nicht sein: So sondern manche Hautdrüsen Schweiß ab, um über dessen Verdunstung den Körper vor Überhitzung zu schützen. Andere Drüsen hingegen produzieren Talg, um Oberflächenstrukturen einzufetten. Hautanhänge wie Haare schützen etwa vor Wärmeverlust, schädlicher Sonneneinstrahlung und Nässe. Und während die Hornschicht der Oberhaut sowohl Verletzungen als auch der Austrocknung vorbeugt, schützt das Fettgewebe der Unterhaut vor Druck und Unterkühlung. Hinzu kommen diverse Hautsinneszellen: Unser Tastsinn beruht auf verschiedenen Mechanorezeptoren, die auf Berührungen, Druck und Vibration reagieren. Empfindungen für Wärme oder Kälte werden über entsprechende Thermorezeptoren vermittelt. Und für stärkere und damit schädliche thermische, chemische oder mechanische Reize sind sogenannte Nozisensoren beziehungsweise Nozizeptoren zuständig. Die Zahl der Nozizeptoren pro Hautfläche übertrifft dabei die Anzahl aller anderen Hautsensoren. Die Reizung der Nozizeptoren führt normalerweise – aber nicht immer – zur Schmerzempfindung. Welch unterschiedliche Empfindlichkeiten diverse Hautregionen haben, zeigt das Beispiel der Hitze-Nozizeptoren: Die meisten weisen unsere Fingerspitzen auf – gefolgt von den Handflächen, der Stirn und den Fußsohlen. Unser Fußrücken ist im Vergleich etwa zur Schulter-, Rücken- oder Wadenregion wiederum am wenigsten empfindlich. Es gibt also nicht nur verschiedene Typen von Nozisensoren, sondern auch unterschiedliche Verteilungen. Zudem kann ihre Anzahl individuell erheblich variieren – und zwar um den Faktor zehn. Unsere Mitmenschen können es sich also nicht aussuchen, ob sie nun eher von „dünnhäutiger“ oder von „dickfelliger“ Natur sind.
Große Anpassungsfähigkeit, aber auch Anfälligkeit offenbart unsere Haut etwa auch hinsichtlich ihrer Lichtempfindlichkeit: Normalerweise absorbiert und reflektiert die Haut nur einen Teil der Ultra-Violett-Strahlung (rund 50 Prozent des UV-A und etwa zehn Prozent des kurzwelligeren UV-B). Auf dauerhaft erhöhte UV-Belastung reagiert die Hornschicht mit Verdickung. Derartige „Lichtschwielen“ treten insbesondere nach Sonnenbränden auf. Zudem wird vermehrt Schweiß abgesondert – nicht nur zur Körperkühlung, sondern auch, weil unser Schweiß Urocaninsäure enthält. Diese vermag nämlich einen höheren Anteil der UV-B-Strahlung zu absorbieren. Bei hellhäutigen Menschen setzt zudem eine stärkere Pigmentierung ein. In der Basalschicht der Epidermis befinden sich Pigmentzellen (Melanozyten), die durch verstärkte Melanin-Produktion die Haut „bräunen“ – vor allem um die genetische Information in den Zellkernen vom UV-Licht abzuschirmen. Vom UV ist der Weg zu Hautkrankheiten nicht weit. Es gibt zahlreiche Erkrankungen und Anomalien der Haut. Das Spektrum reicht da von Sonnenallergie über Hautkrebs, Herpes und Fußpilz bis hin zu Insektenstichen. Als Störungen des Verhornungsprozesses der Oberhaut sind Hühneraugen oder Warzen weit verbreitet. Veränderungen der Blutgefäße in der Lederhaut führen etwa zu Feuermalen, Blutschwämmen oder Pusteln. Bekannte Pigmentanomalien sind Leberflecken (Muttermale) oder Sommersprossen – aber eben auch Hautkrebs. Talgdrüsenanomalien führen zu Akne und anderen Schädigungen. Hinzu kommen Hautveränderungen durch Infektionen und Vergiftungen.
Die meisten Menschen halten heutzutage viel von Hautpflege und wollen ihre Haut daher stets mit so viel Sonne, Wasser, Seife und Cremes wie nur möglich verwöhnen. Hinzu kommen modische Intensiv-Anwendungen. Über Anti-Aging-Programme, Piercing-Studios oder Solarien kursieren daher oftmals mehr Informationen als über die grundlegenden biologisch-medizinischen Gegebenheiten unserer Haut. Gewiss, Hautschäden aufgrund bizarrer Modetrends lassen sich vermeiden. Aber lässt sich durch eine bestimmte Lebensweise etwas gegen Akne und Pickel, gegen Neurodermitis und dergleichen Plagen machen? Innerhalb gewisser Grenzen wirkt sich offenbar unser Lebenswandel stets auch auf die Haut aus. Selbst unsere Emotionen und Neurosen, vor allem aber unsere Speisekarte machen die Haut zum „Spiegel unserer Seele“. Dieser Auffassung ist auch Yael Adler. Sie ist Fachärztin für Haut-, Geschlechts- und Gefäßerkrankungen und zudem Ernährungsmedizinerin. Das einleuchtende Motto der durch ihre Medienpräsenz bundesweit bekannt gewordenen Hautmedizinerin lautet: „Die Haut ist, was Du isst!“ Adler empfiehlt daher eine besondere „Haut-Cuisine“, die auf ganz bestimmte Makro- und Mikronährstoffe setzt.
Bizarre Modetrends
Vermeidbar und daher besonders ärgerlich sind also Hautschädigungen durch abwegige Modetrends wie etwa das Aufspritzen mit Botox. Das Stechen von Tattoos installiert quasi sogar tickende Zeitbomben unter die Oberhaut und grenzt aus Sicht der Dermatologie bereits an fahrlässige Körperverletzung. Der komplexe Aufbau unserer Haut sowie die Vielfalt ihrer Funktionen legen einen achtsameren Lebensvollzug nahe.
Selbstverständlich geht auch ein noch so gesunder Lebensstil nicht spurlos an unserer Haut vorüber. In der Tat, die Haut zeigt uns und anderen mehr oder weniger zuverlässig an, wie jung oder alt, wie erholt oder abgespannt, wie gesund oder krank wir sind. Sie verrät mitunter aber auch etwas darüber, wie froh und munter oder traurig und niedergeschlagen jemand gerade ist. Wie auch immer, vor übertriebener Körperpflege sei nochmals nachdrücklich gewarnt. Viele der alltäglich verwendeten Hygieneprodukte sind aus Sicht der Dermatologie nicht nur überflüssig, sondern bei regelmäßiger Anwendung oftmals sogar schädlich. Nichts ruiniert die Haut so nachhaltig wie eine Kombination aus kosmetisch fehlgeleitetem Wasch- und Pflegewahn nebst regelmäßigem Solariumbesuch und hemmungsloser Tattoostecherei. Die wichtigste Empfehlung Yael Adlers lautet daher denn auch: „Wer der Haut wirklich Gutes tun will, sollte nicht zu viel tun.“
Reinhard Lassek
Reinhard Lassek ist Wissenschaftsjournalist. Er lebt in Celle.