Ja, was hat uns der Mann noch zu sagen? Das werden manche fragen angesichts hochgespannter Sprache und Weltsicht. Die Handlung dieses Briefromans (die Briefe gehen an den deutschen Freund Bellarmin) ist wenig bewegt: Zwar stürzt sich der Grieche Hyperion in den Freiheitskampf seiner Landsleute gegen die Türken, zwar findet er einen Guru (der das Land verlässt), einen Kampfgefährten und idealischen Herzensfreund (der flieht), und schließlich die Frau seines Lebens, Diotima, auch sie zeitweise Briefpartnerin (sogar ihre Antworten werden zitiert, Doris Wolters liest sie). Ihr ist kein langes Leben beschieden, Hyperion wird zum Eremiten. Aber den Freiheitskrieger nimmt man Hyperion (und Hyperion, das ist Hölderlin) ohnehin nicht so recht ab, mag er auch von blutigen Kämpfen berichten. Ihm, dem zutiefst Harmoniebedürftigen, schwebt eine Menschheit vor, die sich in hochsinniger Harmonie findet, jenen griechischen Göttern nacheifernd, die sich Hölderlin als zurückgekehrt in ihren Götterhimmel erträumt.
Hölderlin, Jugendfreund Hegels und Schellings, rang mit der zeitgeistigen Dominanz der Philosophie, doch für ihn machte nur Philosophie plus Schönheit wahre Menschlichkeit aus – also plus Kunst, Ästhetik, Humanität, Weltfrieden, kurz, dem Streben nach Höherem. Doch mit siebenundzwanzig war er als wahnsinnig abgeschrieben.
Was er uns zu sagen hat? Diese Frage begleitete ihn von Anfang an. Erst posthum wurde er verehrt, mehr noch als für seinen Roman für seine Gedichte, die auf dunkle Weise an ewige Menschheitssehnsüchte rühren.
Jens Harzer liest den Text unter Vermeidung jeden Aufschwungs in rhetorisches Pathos. Wohltuend.
Helmut Kremers
war bis 2014 Chefredakteur der "Zeitzeichen". Er lebt in Düsseldorf. Weitere Informationen unter www.helmut-kremers.de .