Wie lange noch?

Was die Garnisonkirche Potsdam mit Rechtsradikalismus zu tun hat
Foto: Nicolas Wefers

Als neulich der AfD-Politiker Björn Höcke dem unglücklich agierenden Thomas Kemmerich zur Wahl zum Ministerpräsidenten gratulierte, erinnerte die Geste des Handschlags viele an den Tag von Potsdam. Möglich war  dieser nur, weil FDP und CDU eine klare Abgrenzung nach rechts vermissen ließen.

250 Kilometer nordöstlich von Erfurt wird in Potsdam seit 2017 der Kirchturm der Garnisonkirche wieder aufgebaut, also genau jener Ort, wo im März 1933 der „Tag von Potsdam“ gefeiert wurde. Hier muss sich die evangelische Kirche fragen lassen, ob sie es nicht auch an einer klaren Abgrenzung nach rechts vermissen lässt. Inzwischen ist zwar ab und zu mal an der Baustelle ein Banner „gegen alte und neue Nazis“ zu sehen und wird in der Nagelkreuzkapelle Frieden und Versöhnung beschworen. Aber warum hält dies weder AfD noch rechtsgerichtete Kreise in den Social Media davon ab, das Projekt zu unterstützen?

Anders, als es die Stiftung Garnisonkirche gerne darstellt, wurde die Kirche am „Tag von Potsdam“ nicht missbraucht, im Gegenteil. Generalsuperintendent Otto Dibelius selbst befürwortete die symbolische Inthronisierung von Hitler. Die Wahl des Ortes war kein Zufall, denn die Kirche diente schon jahrzehntelang den militaristischen, antidemokratischen und rassistischen Kreisen als wichtiger nationaler Symbolort. In der Kaiserzeit wurden hier die Kolonialkriege einschließlich des Völkermordes an den Hereros und Nama gefeiert, in der Weimarer Zeit versammelten sich hier die rechtsradikalen Gruppen vom Stahlhelm über den Kyffhäuserbund bis zu NSDAP. In einem Flyer der heutigen Stiftung Garnisonkirche aber heißt es, diese Kirche stände „für christliches verantwortetes Handeln für die Gemeinschaft, für die Verbindung von christlichem Glauben und ‚preußischen Tugenden‘“.

Die Idee für den Wiederaufbau dieser Kirche, deren Silhouette in der Nazi-Zeit 75 Millionen mal gemeinsam mit Hakenkreuzen in Münzgeld eingeprägt wurde und Glockenspiel als Pausenzeichen in Goebbels Reichsrundfunk diente, brachte der westdeutsche Bundeswehroffizier Max Klaar 1984 auf. In kurzer Zeit gelang es ihm, Spenden für den Nachbau des Glockenspiels zu sammeln, das er nach dem Mauerfall der Stadt Potsdam schenkte.

Der Potsdamer Pfarrer Dittmer warnte vergeblich vor dem rechtsradikalen Hintergrund des Spenders. Als die in den Glocken eingegossenen Widmungen für ein Deutschland in den Grenzen von 1937 auffielen, ließ die Stadt diese stillschweigend entfernen. 28 Jahre war das Glockenspiel in Betrieb. Erst im Spätsommer 2019 verfügte der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert dessen Stilllegung. Eine Reihe prominenter Wissenschaftler und Künstler hatten angesichts der verbliebenen rechtsradikalen Inschriften den Abriss des Glockenspiels gefordert. Dieses huldigt nach wie vor dem Verband deutscher Soldaten, dem Kyffhäuserbund und sechs Wehrmachtsverbänden, die nicht zuletzt für die Belagerung von Leningrad und einen Massenmord an Zivilisten in Italien verantwortlich waren.

Doch die Probleme begrenzen sich nicht auf das Glockenspiel. Das von der Stiftung Garnisonkirche bis heute vermittelte Geschichtsbild, die Kirche sei Opfer von NS-Regime, Bombenkrieg und DDR-Diktatur gewesen, baut genau auf dem geschichtsverfälschenden Narrativ auf, welches Max Klaar seit den 1990er-Jahren verbreitet hatte. Ein einstiger Mitstreiter Max Klaars war langjähriger Vorsitzender des Fördervereins zum Wiederaufbau der Garnisonkirche. Auch als in der breiten Öffentlichkeit das rechtsradikale Gedankengut von Max Klaar längst bekannt war, gab es für ihn und seine Unterstützer Gottesdienste wie etwa in der Potsdamer St.-Nikolai-Kirche am 4.9.2010.

Es hat in der Kirche nicht an Stimmen gefehlt, die einen klaren Bruch mit Traditionen der Potsdamer Garnisonkirche gefordert haben, der auch von außen sichtbar ist. Einiges hierzu wurde auch in kirchlichen Beschlüssen festgehalten. Umgesetzt wurde davon aber so gut wie nichts. Nicht zuletzt wollte man rechte Spender nicht vergraulen. Selbst einen originalgetreuen Wiederaufbau des Kirchenschiffs schließt die Stiftung in der aktuellen Debatte nicht aus, obwohl sie sich 2016 noch vor der Landessynode verpflichtet hatte, auf einen solchen zu verzichten. Wie lange noch will die Landeskirche dies stillschweigend hinnehmen?

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Philipp Oswalt, geboren 1964 in Frankfurt am Main, ist Architekt und Professor für Architekturtheorie und Entwerfen an der Universität Kassel. Im Dezember 2016 trat Oswalt aus Protest gegen den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche aus der evangelischen Kirche aus. In einem Brief an die Berliner Superintendentin warf er der Kirche vor, sie sei zu eng mit dem Staat verbunden. Es gebe zudem falsche Aussagen über die eigene Kirchengeschichte. Oswalt schrieb: „Die Idee von Frieden und Versöhnung wird nicht nur instrumentalisiert, sie wird auch konterkariert.“

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