Versöhnlich

Eine Fußballfreundschaft

Mit diesem Band gelingt dem Autorenkollektiv um Manfred Lämmer die Bestandsaufnahme einer besonderen und noch weitgehend unerforschten Beziehungsgeschichte. Hier stehen einmal nicht die sportlichen Großveranstaltungen im Mittelpunkt, sondern ein kleiner aber entscheidender Bereich, in dem der Sport seine verbindende und versöhnende Kraft entfalten konnte. Auch der Band selbst ist das Ergebnis einer Kooperationsarbeit zwischen israelischen und deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Manfred Lämmer, der Kopf des Projektes und von 1975 bis 2009 Leiter des Instituts für Sportgeschichte an der Deutschen Sporthochschule in Köln, hat die entstehende Freundschaft zwischen dem israelischen und dem deutschen Fußballsport – und damit auch die Entwicklung der deutsch-israelischen Beziehungen insgesamt – von Anfang an begleitet und kann als der beste Kenner einer Erfolgsgeschichte bezeichnet werden, die in den Fünfzigerjahren des 20. Jahrhunderts ihren Anfang nahm.

Der Fokus des Bandes liegt auf eben dieser Zeit, als erstmals Fußballteams aus Österreich (Kapfenberger SV 1956), den Niederlanden (1962 Sportclub Enschede mit dem Spieler Helmut Rahn) und später dann mit der DFB-Jugendauswahl um Paul Breitner und Uli Hoeneß (1968), FC Bayern Hof (mit Sammy Drechsel 1969) sowie vor allem Borussia Mönchengladbach aus Deutschland (seit 1970) gegen Mannschaften in Israel antraten. Eine zentrale Rolle für die Entwicklung der Beziehungen spielte die Trainerakademie in Köln, an der seit Ende der Fünfzigerjahre auch Fußballlehrer aus Israel teilnahmen wie David Schweizer und dann Emanuel Schaffer, der später als israelischer Nationaltrainer die größten Erfolge der Geschichte feiern konnte. Zwischen ihm und dem Leiter der Akademie, Hennes Weisweiler (seit 1958 in der Nachfolge Sepp Herbergers) entstand in der Folge eine lebenslange Freundschaft. Weisweiler, der einer der erfolgreichsten Trainer bei Borussia Mönchengladbach wurde, hatte das Talent aus Israel in den von ihm geleiteten Kursen kennen und schätzen gelernt. Seit 1968 führte er außerdem mehrere Lehrgänge in Israel durch. Nach dem Wechsel Weisweilers zu Gladbach reiste das Team mehrfach nach Israel. Das legendäre Spiel von Gladbach gegen die israelische Nationalmannschaft am 25. Februar 1970 kann getrost als ein Meilenstein in den deutsch-israelischen Beziehungen insgesamt betrachtet werden.

Nebenbei wird in dem Band die Entwicklung des jüdischen Fußballsports in Europa und Israel bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Besonders eindrücklich sind die Beiträge zur Geschichte des Fußballs mit jüdischer Beteiligung in den Zwanzigerjahren (dargestellt von Markwart Herzog/Erik Eggers), des Liga-Betriebs im Konzentrationslager Theresienstadt (Nicola Schlichting) und in den amerikanischen Besatzungsgebieten kurz nach Ende des Zweites Weltkrieges (Jim G. Tobias). Bis zur Auswanderungswelle nach Palästina/Israel Ende der Vierzigerjahre hatte es dort einen Ligabetrieb für ausschließlich jüdische Mannschaften gegeben, die sogar zweimal einen Deutschen Meister ausspielten. Deutsch-israelische Länderspiele kommen ebenso zur Sprache wie der „FC Bundestag“, der seit den Siebzigerjahren Besuche in Israel unternommen und 2017 ein Spiel gegen eine Vertretung der Knesset bestritten hat.

Die Begeisterung für den Fußball war und ist in Israel ungebrochen und hat dabei geholfen, tiefe Gräben zu überwinden. Nicht wenige Städtepartnerschaften haben hier ihre Wurzeln. Das und vieles mehr wird in dem Band deutlich gemacht. Für Interessierte am christlich-jüdischen Dialog und den deutsch-israelischen Beziehungen ist das Feld des Sports ein wichtiges Feld, das weiter erschlossen werden muss. Der Band ist deshalb nicht nur für Fußballbegeisterte wärmstens zu empfehlen.

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