Feuer und Asche

Neues von Flying Lotus

Früher hätte man Konzeptalbum gesagt, Vision trifft es wohl besser – grandios, elegant, üppig, tricky, feinnervig, so sanft wie überwältigend und facettenreich, um mal mit Superlativen erst später um die Ecke zu kommen. Also: Flamagran (27 Stücke, 67 Minuten) ist das neue Album von Flying Lotus und eine Wucht! Stephen Ellis (geboren 1983) heißt der Electronica-Musiker bürgerlich und gilt als eine Art Epizentrum im kreativen Brodeln zwischen HipHop, Jazz, Intelligent Dance Music und Funk. Weggefährten sind etwa der Bassist Thundercat, mit dem er eng befreundet ist, und der Space-Bigband-Leader Kamasi Washington (vergleiche zz 10/2018).

Nach seiner frappiernden Platte You’re Dead von 2014 war Ellis unter anderem an Kendrick Lamars Album To Pimp A Butterfly beteiligt, er drehte die Horror-Komödie Kuso und häufte nebenher neues, ganz unterschiedliches Material an. Auf Flamagran fügt er es erzählerisch und musikalisch faszinierend zusammen. Leitidee war das Bild vom ewigen Feuer auf einem Berg, erleuchtend, warm und anziehend für die einen, bedrohlich vernichtend für andere, zumal Ellis selbst das von Wüstendürre umgebene L. A. schon buchstäblich wie im übertragenen Sinne in Flammen erlebte. Doch er setzt darauf, dass Asche neues Leben nährt. Flying Lotus ist ein heilender Magier, der ermutigen und Kraft geben will. Als er dann auf einer Party Kult-Regisseur David Lynch eine Story von einem mysteriösen Anruf, verfinstertem Himmel und einem apokalyptischen Feuer erzählen hörte, hatte er den entscheidenden Anstoß: Fire Is Coming in der Mitte des Albums ist nun auch einer der zentralen Tracks, mit Lynchs sonoren, pulp-lässigen Spoken Words, die Ellis am Klavier und mit subtilen Effekten hörkunst-artig inszeniert. Mächtiges Feuerschweigen, das die Spanne zwischen Andacht und Ausbruch in sich trägt, rahmt das Album, das zugleich Hörspiel, Exerzitien und Symphonie ist – ein Genussbatzen für den Feierabend-Whisky oder – Tee.

Gleich zwei Stücke (Find Your Own Way Home und Thank U Malcolm) sind dem jüngst an unabsichtlicher Überdosis verstorbenen Rapper Mac Miller gewidmet, enger Freund und Nachbar, mit dem er auch am Flamagran-Material arbeitete. Hier liegt die Asche noch tief im Schmerz. Aber dann sind da eben auch Solange mit Halleluja-Schmeichel-Gospel und Kamasi-Chören (Land Of Honey) oder Altmeister George Clinton, der sich zu Burning Down The House richtig ins Zeug legt. Ein Liebling ist Black Balloons Reprise, das Denzel Curry zu spärlichem Beat mit tragischem Chor sinister rappt. Direkt danach und wie alle Tracks schlüssig ineinander gemischt, folgt Lynchs besagtes Fire Is Coming. Das ist Flying Lotus, der stets seine Absichten prüft: „Worum geht es? Was willst du? Nicht Berühmtsein – ich will, dass die Leute wieder an die Magie glauben.“ Mit Flamagran gelingt ihm das grandios. Und vieles mehr.

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