In zz 6/2019 vertrat der Theologe Peter Scherle die Ansicht, dass es zum theologischen Ansatz Karl Barths auch im 21. Jahrhundert grundsätzlich keine Alternative gäbe. Dagegen erhebt Andreas Krebs, Direktor des Alt-Katholischen Seminars an der Universität Bonn, Widerspruch. Er fragt: Ist die theologische „Vergewisserungsästhetik“ auf den Spuren Karl Barths angesichts des Zustands unserer Welt wirklich noch eine Option?
Wer die Frohe Botschaft leben und bezeugen will, hat es nicht mit dem Begriff „Gott“ zu tun, sondern es geht um Gott. Da ist es gut, eine Theologie als Begleiterin zu haben, die es auch wagt, von Gott zu reden und dafür gerade zu stehen, und sich nicht allein dem Reden über das Reden von Gott verschrieben hat. Hier ist der Ort einer Theologie, die sich – mit Peter Scherle gesprochen – in der Pflicht sieht, selbst eine Gottes-Erzählung zu riskieren.
Wird dabei aber auch genug riskiert? Bringen heutige Gottes-Erzählungen die Menschheitsrisiken ins Wort, denen wir uns gegenübersehen? Und wird auch das Risiko ernst genommen, das Gott eingegangen ist, indem er einen Bund geschlossen, den Menschen zur Partnerschaft berufen, Frieden und Fülle verheißen – und sich so auf die Wirren der Geschichte eingelassen hat?
Als Aktualisierung Barthscher Theologie empfiehlt Peter Scherle das Buch Alles gut. Warum die Theologie Karl Barths ihre beste Zeit noch vor sich hat (vergleiche Rezension in zz 2/19). Dessen Autor Ralf Frisch unternimmt es darin, die „Kirchliche Dogmatik“ neu als „Gegenerzählung“ zu entdecken, die dem Dunkel ihrer Zeit – und auch den Dunkelheiten unsrer Zeit – eine helle, strahlende Alternative entgegensetzen will. Frisch spricht ausdrücklich von einer „Fiktion“ und besitzt die Kühnheit, die Kirchliche Dogmatik als Kunstwerk zu lesen und ihre Überzeugungskraft als ästhetisches Ereignis zu verstehen.
Mir scheint, Frisch trifft damit durchaus etwas Wesentliches; hier ein Beispiel: Ich habe mich immer darüber gewundert, wie Barth in der Kirchlichen Dogmatik das Kapitel über „Gottes Wirklichkeit“ mit den Worten beginnen kann: „Gott ist.“ Müsste dieser Satz nicht am Ende langer Ausführungen stehen, in denen berechtigte Zweifel am Sein Gottes ausgeräumt werden?
Im Gegenteil, meint Barth, der Satz gehört genau deshalb an den Anfang, weil ein Gott, der auf das Ausräumen von Zweifeln angewiesen wäre, als Gott schon von vornherein verloren hätte. Deshalb kann für „Gott ist“, diesen Fundamentalsatz jeglicher Theologie, nur Gott selbst einstehen. Und Gott steht für die Wahrheit dieses Satzes ein, davon gibt sich Barth überzeugt – und lässt damit seinen monumentalen dogmatischen Entwurf auf einem unverschämt freien „Ich hab’ mein Sach’ Gott heimgestellt“ beruhen.
Epiphanie heraufbeschworen
Ist das Bescheidenheit oder äußerste Vermessenheit? Man weiß es nicht so recht. An anderer Stelle lässt Barth gegen Descartes und seinen ontologischen Gottesbeweis sogar Gott höchstpersönlich auftreten: „Unsere eigene Existenz steht und fällt mit der Existenz Gottes und ist uns im Lichte der Existenz Gottes weniger, unendlich viel weniger klar und gewiß als seine Existenz. Im Lichte der Existenz Gottes! Also daraufhin, daß er selber sich uns klar und gewiß gemacht hat. Wären wir anders dran mit ihm als so, wären wir ohne Klarheit und Gewißheit über ihn, wäre uns seine Existenz ein Problem, wie die Existenz anderer Gegenstände uns ein Problem sein kann, dann würde bestimmt nicht Er vor uns stehen.“
Hier wird nicht argumentiert, hier wird eine Epiphanie heraufbeschworen: Gott steht vor uns, und alles Problematisieren verstummt. Was will Barth damit erreichen? Vielleicht geht es um das, was der Philosoph Ludwig Wittgenstein einen „Aspektwechsel“ nennt. Wittgenstein erklärt dieses Phänomen am Beispiel von Vexierbildern, in denen man etwa zugleich eine junge und eine alte Frau erkennen kann, je nachdem, wie man das Bild betrachtet. Nun kann es sein, dass jemand, der ein solches Bild zum ersten Male zu Gesicht bekommt, unwillkürlich eine junge Frau erblickt, aber außerstande ist, auch die alte zu entdecken. Man kann ihm helfen, indem man sagt: Betrachte dies doch einmal als Nase, dies als Kinn und so weiter – bis ihm auf einmal der Aspekt „aufleuchtet“, unter dem die alte Frau erscheint.
Solch ein „Aufleuchten“ eines neuen Aspektes gibt es nicht nur bei Vexierbildern; es ist auch ein entscheidendes Element ästhetischer Erfahrung in der Kunst: Vertraute Worte oder vertraute Gegenstände werden in einen unvertrauten Kontext gestellt – und erscheinen dadurch unter einem ungeahnten Aspekt. Umgekehrt kann es nach einer intensiven Kunsterfahrung auch bei der Rückkehr zur „gewöhnlichen“ Welt geschehen, dass sie auf einmal ungewöhnlich, dass sie unter einem neuen Aspekt erscheint. Man hat etwa im Kino einen Film gesehen, von dem man zutiefst ergriffen wurde, und nun geht man vor die Tür, tritt auf die Straße, und die ganze Welt sieht neu und überraschend aus: Man sieht keine andere Welt, aber man sieht die Welt anders.
Nun ließe sich im Falle der oben zitierten Stelle aus Barths Kirchlicher Dogmatik (KD II/1, §25) der angestrebte Aspektwechsel etwa so beschreiben: Ich soll nicht die Welt und das eigene Selbst als gewiss und Gott als ungewiss betrachten, sondern von der Gewissheit Gottes her die Welt und das eigene Selbst als ungewiss erkennen. Allgemeiner gesprochen: Ich soll Gott nicht im Licht der Welt anschauen – sondern die Welt im Lichte Gottes! Könnte es sein, dass es überhaupt dieser Aspektwechsel ist, auf den Barth mit seinem sprachmächtigen theologischen Spätwerk abzielt? Die eigentliche Pointe einer Barth-Lektüre läge dann tatsächlich in einer ästhetischen Erfahrung – und zwar „ästhetisch“ nicht im Sinne des „bloß“ Ästhetischen, des Unterhaltsamen, gar Beliebigen, sondern „ästhetisch“ im strengen Sinne von „die Wahrnehmung betreffend“: Barth möchte unsere gewöhnliche, allzu vertraute Wahrnehmung umkrempeln und die Tür zu einer radikal anderen Sicht der Welt aufstoßen. Ralf Frisch drückt es so aus: „Die Kirchliche Dogmatik ist nicht einfach nur Sprachkritik, also Kritik des menschlichen Redens von Gott. Sie ist Neuschöpfung der göttlichen Wirklichkeit durch Sprache.“
Die Rückfrage muss freilich erlaubt sein: Ist eine solche Vergewisserungsästhetik angesichts des Zustands dieser Welt überhaupt verantwortbar? Natürlich gibt es in Barths Theologie auch das Böse. Es ist „nichtig“ und doch real, die eigentlich unmögliche Möglichkeit eines Widerspruchs, der nicht sein kann, nicht sein darf und dennoch eine rätselhafte Wirksamkeit besitzt. Zugleich behauptet Barth, dass Gott selbst in Jesu Leben, in seinem Tod und in seiner Auferweckung das Böse auf sich genommen und ein für alle Mal besiegt hat. Und mehr noch: Der Rückblick auf dieses Ereignis in der Mitte der Zeit sage schon „dasselbe“ wie der Ausblick auf Christi Wiederkunft. Das Böse sei insofern schon in Gottes Hand. Es besitze nur noch „Scheingeltung“; der Feind sei „Gottes Knecht“ geworden. Durch Christus stehe jetzt schon außer Zweifel, dass „auch das Nichtige zu den Dingen gehört, von denen es heißt, daß sie denen, die ihn lieben, zum Besten dienen müssen“. Der Zweifel an Gott und das, was ihm Nahrung gibt, sind letztlich menschlicher Irrtum und äußerlicher Schein, hinter dem die Wirklichkeit der Erlösung nur noch aufzudecken ist.
Ganz in diesem Sinne schreibt Ralf Frisch: Das „eigentliche revolutionäre Drama“ sei „längst geschehen“; es habe sich nämlich „am eigenen Leib Gottes abgespielt“. Nun bezeichnet Frisch das „Happy End der allein aus Gnade und Liebe erwählten, versöhnten und erlös-ten Welt“ wiederum als „große theologische Fiktion“. Mit Frischs Fiktionalitätsbegriff ist es dann aber doch so eine Sache. Er belässt es nämlich nicht bei der Ästhetik allein, sondern hebt auch auf die verändernde Kraft des Fiktiven ab: „Auch erfundene und erdachte Worte können die Kraft haben, die Welt zu verändern. Und wenn dem so ist, sind sie wahr – wahrer als die Wirklichkeit des sogenannten Bodens der Tatsachen, den wir so oft für das einzig wahre halten“. Und dann kann Frisch auch ganz klassisch korrespondenztheoretisch sprechen, wenn er etwa die Möglichkeit in den Raum stellt, dass die Fiktion vom Happy End „die eigentliche Wahrheit über Gott und Welt widerspiegelt“.
Drohendes Debakel
Darf man so reden? Darf man davon ausgehen, dass die Geschichte der Menschheit bereits bis zu ihrem guten Ende erzählt ist – auch nach Auschwitz noch? Darf man so reden auch angesichts jährlich tausender im Mittelmeer ertrinkender Menschen, weltweit wachsender ökonomischer Ungleichheit, eskalierender geopolitischer Interessengegensätze, einem seit über sechzig Millionen Jahren beispiellosen Artensterben und einer Klimakatastrophe, die schneller und gravierender auf uns zuzukommen scheint, als bisher angenommen? Spricht nicht manches dafür, dass die Menschheitsgeschichte in Wirklichkeit unabgeschlossen ist und dass sie sehr wohl noch in ein großes Debakel münden könnte? Ein theologisches Vergewisserungsunternehmen, das all dies ausblendet, gerät zur Schönfärberei.
Dieser Einwand trifft nicht Ralf Frisch allein, er trifft auch Karl Barth selbst. Manche „Barthianer“ – unter ihnen etwa der alt-katholische Theologe Kurt Stalder – haben deshalb zugestanden, dass die Bewahrheitung der großen Gottes-Erzählung letztlich noch aussteht. Gott hat sein Gottsein an der menschlichen Geschichte zu bewähren, so Stalder: „Für Gott sind wir die Gottesfrage“. Friedrich Wilhelm Marquardt – auf den sich auch Peter Scherle bezieht – fasst nach Auschwitz die Conditio Jacobaea (vergleiche Jakobus 4,15) neu: „So Gott will und er lebt“.
Wer so denkt, muss allerdings auch die Gegenerzählung zur Gegenerzählung hören: Es ist die Geschichte von Gottes Scheitern. Kaum jemand hat sie so eindringlich dargestellt wie der italienische Zollbeamte und theologische Autodidakt Sergio Quinzio. In seinem Buch Die Niederlage Gottes (deutsch 1996, italienisch 1992) stellt er die so genannte Heilsgeschichte als Geschichte von Fehlschlägen dar. Bereits die Schöpfung geht schief; „gut“ oder „sehr gut“ bleibt sie im biblischen Narrativ nur für kurze Zeit: Adam und Eva werden aus dem Garten verstoßen, Kain tötet Abel, und aus Reue über sein Werk schickt Gott die Sintflut; die danach etablierte Ordnung ist anspruchsloser als die einst gewollte, denn es ist eine Ordnung, die das Böse toleriert. Gott ruft Israel aus seinen Leiden in Ägypten heraus; doch die unter Moses Führung in das gelobte Land aufbrechen, kommen in der Wüste um, und die folgenden Generationen werden, am großen Ziel vermeintlich angelangt, den ihnen versprochenen Frieden tatsächlich nicht erleben. Das babylonische Exil gerät zur grundstürzenden Glaubenskrise; doch auch die Heimkehrer aus dem babylonischen Exil werden enttäuscht, der wieder errichtete Jerusalemer Tempel einige Jahrhunderte später für immer zerstört. Bis heute erwarten Juden den Messias. Der Messias der Christen endete am Kreuz.
Aufschub des Aufschubs
Bei Quinzio steht das Kreuz dabei nicht so sehr für die Schuld der Menschen als für das, was Gott den Menschen schuldig geblieben ist; immerhin wurde ja behauptet, das Himmelreich sei bereits gekommen: Wieder ein Versprechen, das sich als hohl erwiesen hat! Die Auferweckung rettet die Reich-Gottes-Verheißung – im Kern allerdings wieder durch eine neue Hoffnung, wieder ein neues Versprechen, denn auch Ostern, auch Pfingsten hat das Reich Gottes nicht gebracht. Die Naherwartung einer Wiederkunft des Christus wurde dann erneut enttäuscht; bis heute warten wir darauf…
Nun, in Wirklichkeit tun wir das wohl nicht mehr: Erwarten wir etwa ernsthaft das Reich Gottes? Ganz unplausibel ist es insofern nicht, wenn Quinzio als unbewussten, weil verdrängten, aber entscheidenden Motor jüdischer wie christlicher Theologie die Enttäuschung ausmacht. Wieder und wieder muss die Erfüllung der Verheißung aufgeschoben, müssen die auf Trost Hoffenden auf später vertröstet werden. Seit Jahrtausenden arbeitet sich Theologie daran ab, den Aufschub und den erneuten Aufschub, den endlosen Aufschub des Aufschubs ihrer Hoffnung zu begründen. In diese Geschichte der Desillusionierungen reiht sich für Quinzio auch das Schicksal der Moderne ein: Ihre Fortschrittsversprechen beerben die biblischen Verheißungen und bleiben genauso heikel und unerfüllt wie diese. Auch die säkularen Utopien können Gott nicht retten.
So oder ähnlich klingt die Verzweiflungsgeschichte, die neben der Vergewisserungsgeschichte auch zu erzählen wäre. Eine gegenwarts- und glaubensrelevante Theologie, wie Scherle sie sich wünscht, kommt nach meiner Überzeugung nicht umhin, beide Gottes-Geschichten zu „riskieren“. Das eine verlangt die Hoffnung – die nach christlichem Verständnis eine Tugend ist –, das andere die Redlichkeit. Quinzio resümiert: „Wenn, wie Walter Benjamin sagt, der Sinn der Dinge in der messianischen Zukunft liegt, wenn sie allein von jener Zukunft her ihr Licht und ihre Konsistenz erhalten – während sie bis anhin nur vorläufig und formlos waren, in der Schwebe über einem Abgrund –, dann bedeutet die fehlende Ankunft von Gottes Reich auch den totalen Verlust jedweden Sinns. Der Glaube schaut von einem Ende her, das auch nicht eintreffen könnte.“ Sollte das stimmen, wäre sogar die Frage, ob Gott wirklich Gott ist, eine offene Frage.
Theologie im Horizont der offenen Gottesfrage – wäre so etwas überhaupt möglich? Und wäre eine solche Theologie, wenn denn möglich, nicht in jedem Fall allzu verzagt? Verzagt, weil sie dem säkularen Glaubwürdigkeitsverlust theologischer Rede nichts entgegensetzt; verzagt, weil sie in all ihrer fundamentalen Angefochtenheit kein kritisches Verhältnis zu dieser Welt mehr entwickeln kann; verzagt schließlich auch, weil sie jede
theologische Aussage zur Hoffnungsaussage verflüchtigt und ihren Anspruch auf Wahrheit damit preisgibt? Ich möchte zu jedem dieser Einwände eine kurze Erwiderung versuchen:
Wie würde sich eine Theologie im Horizont der offenen Gottesfrage zur Säkularisierung verhalten? Johann Baptist Metz hat überzeugend dargelegt, dass die Säkularisierung letztlich ein Oberflächenphänomen ist, dem in der Tiefe eine „Gotteskrise“ zugrunde liegt: Die Leute sind nicht dumm; sie bemerken, dass unsere Texte und Lieder große Versprechungen machen, für deren Erfüllung zunächst einmal wenig zu sprechen scheint. Es ist nur folgerichtig, dass mit diesen Versprechungen auch der Gott fragwürdig wird, der sie gemacht haben soll. Man muss eine Hoffnung, an der festzuhalten sich trotzdem lohnt, auf dem Niveau dieser Zweifel plausibel machen können.
Kann eine Theologie der offenen Gottesfrage ein kritisches Verhältnis zu dieser Welt entwickeln? Hierzu möchte ich eine bestechende Beobachtung Sergio Quinzios anführen. Er stellt fest: Theismus und Atheismus laufen auf ein identisches Verhältnis zur Welt hinaus – nämlich darauf, die Welt in Ordnung zu finden. Wenn es Gott gibt, dann ist die Welt, wie Gott sie will; was immer ist, ist, wie es ist, weil es nicht anders sein soll: Es gibt keine anderen anderen Möglichkeiten. Wenn es Gott nicht gibt, dann ist die Welt, wie sein muss; was immer ist, ist, wie es ist, weil es nicht anders sein kann. Auch hier gibt es keine anderen Möglichkeiten. Im Ergebnis ist in beiden Fällen, beim Theismus wie beim Atheismus, eben alles, wie es ist. Wenn aber über das Sein Gottes noch nicht entschieden ist, dann gibt es für die Welt – und für Gott – zwei radikal verschiedene Möglichkeiten: Gott erweist sich als Gott, und das Himmelreich kommt; oder das Himmelreich kommt nicht, und Gott ist als Gott gescheitert. An der Differenz dieser zwei Möglichkeiten kann Kritik sich in einer Weise schärfen, die im Theismus wie im Atheismus gleichermaßen undenkbar ist.
Wie steht es bei alldem schließlich um den Wahrheitsanspruch von Glaubensaussagen? Der ist tatsächlich prekär. Zu bloßen Hoffnungsaussagen „verflüchtigt“ wird dennoch nichts. Denn diese Hoffnungsaussagen sind überaus konkret; in ihnen geht es um etwas; und es ist nicht bedeutungslos, ob sie sich erfüllen oder nicht. Das „Verflüchtigen“ sehe ich eher bei denen, die den Gehalt von Glaubensaussagen ins Platonisch-Geistige oder Subjektiv-Innerliche verschieben: Irgendwie sind sie dann immer wahr, egal was geschieht, und genau deshalb bedeuten sie in Wirklichkeit überhaupt nichts mehr. Der Glaube hingegen, wie ich ihn mit Quinzio verstehen will, hat einen konkreten Wahrheitsanspruch, aber er beansprucht eine Wahrheit, die vor uns liegt – oder hinter uns, wenn wir eher wie Walter Benjamins „Engel der Geschichte“ mit dem Rücken zur Zukunft ihr entgegenstürzen sollten –, und ob sie da liegt, das weiß wohl nicht einmal Gott selbst. „Gott ist die Erlösung Gottes“, schreibt Sergio Quinzio; „es gibt keinen Gott außerhalb seiner und unserer Erlösung.“
Andreas Krebs
Professor für Alt-Katholische und Ökumenische Theologie und Direktor des Alt-Katholischen Seminars an der Universität Bonn