Wie digital geht

Ratgeber für Kirchengemeinden

Jeder hat unterschiedliche Kriterien für ein gutes Buch. Für mich zeichnet sich ein solches dadurch aus, dass es mehr tut, als nur das zu halten, was es verspricht. Ein gutes Buch zeichnet sich durch eine zweite (oder dritte) Ebene aus. „Vernetzt und zugewandt“ von Philipp Greifenstein und Hanno Terbuyken ist ein solches Buch.

Schon die eigentliche Aufgabe, die das Buch zu erfüllen versucht, ist nicht so leicht, wie es vielleicht den Anschein hat. Ein Praxishandbuch möchte das Buch sein, und zwar für die Gemeinde, die sich der Digitalisierung stellt. Für Greifenstein und Terbuyken ist es keine Frage, dass sich diesem Thema alle Kirchengemeinden zu widmen haben. Die Frage ist nur: Wie tun es die einzelnen Akteure? Nun hat so ein Praxishandbuch zunächst das Problem, nicht schon beim Erscheinen veraltet zu sein. Die Verfasser wählen als Lösung den Korridor zwischen zu starker Bezugnahme auf aktuelle Technik und praxis-irrelevantem Verharren in der theoretischen Ebene. Es gibt konkrete Beispiele, diese sind umsetzbar, aber sie vermeiden eine genaue Beschreibung der Tools, mit denen sie umzusetzen sind.

Ein zweites Problem: Die Verfasser sind ausgewiesene Profis in einem Bereich, in dem es von selbsternannten Experten wimmelt. Ihnen gelingt es, ohne hohes Ross, ihr Fachwissen zu vermitteln, und zwar so, dass sowohl die Mitarbeiterin im Gemeindesekretariat als auch die Pfarrerin, die sich bereits zur Generation der digital natives rechnet, für ihre jeweilige Praxis Neues lernen können. Gelungen ist das lange Kapitel zur Gemeindewebsite. Dort wird präzise und praxisorientiert beschrieben, was auf einer Gemeindewebsite zu stehen hat und vor allem, wie es dort zu platzieren ist. Ähnlich gut und hilfreich sind auch die Kapitel zu digitalen Tools und zu Social-Media, welche auch kritisch mit dem Trend der auf Instagram präsenten Pfarrer*innen umzugehen wissen. Hier zeigt sich eine Grundformel der Verfasser: Der richtige Weg ist oft der, der funktioniert und der etwas nutzt, gerade für die gemeindliche Kommunikation. Und: Das Rad muss nicht ständig neu erfunden werden. „Gemeindeverwaltung digitalisieren“ bietet ebenfalls gute Ansätze, bleibt aber leider sehr im Prinzipiellen verhaftet. Meiner Meinung nach ist dies das Thema mit dem größten Nachholbedarf im Gemeindealltag.

So weit also zu den Teilen des Buches, die das behandeln, was angekündigt wird. Mindestens genauso interessant sind aber die ersten beiden Kapitel, die so etwas wie den theoretischen Hintergrund liefern und en passant auch die theologische Bedeutung von Digitalisierung skizzieren. Die Verfasser gehen davon aus, dass sich mit der Digitalisierung das Verständnis von Kirche(-ngemeinde) ändert und dass diese Änderung durchaus einen Fortschritt darstellt, weil es mehr einem schon in der Reformation angelegten Verständnis von Kirche entspricht. Denn das Netz, so die These, stellt einen „potentiell egalitären ‚Raum‘“ (Seite 24) dar, bei dem hierarchische Unterschiede zunächst keine Rolle spielen. Auf den Raum der Kommunikation in den sozialen Medien bezogen: Der „partizipative, hierarchiearme Gedanke“ (Seite 32) könnte dem protestantischen „Priestertum aller Getauften“ entsprechen. Freilich sehen die Verfasser die kritischen Seiten der digitalen Welt, aber ihr Grundurteil ist ein positives. Über diese Deutungen, die anregend zu lesen sind, würde es sich lohnen, zu diskutieren. Gerade im digitalen Raum gibt es ja in unterschiedlichen Bereichen eine Art „Herrschaftswissen“, das dem egalitären Grundprinzip entgegenläuft und das gerade auch in den Bereichen der digitalen Verwaltung zu Problemen führt. Ich selbst bin nicht so optimistisch wie die Verfasser, was zum Beispiel den (kirchlichen) Datenschutz angeht. Aber auch diese Punkte zeigen, dass das Buch äußerst hilfreich und anregend ist: Es liefert konkrete Tipps für die Praxis, leitet an, das eigene Handeln zu reflektieren, und regt zur weiteren Diskussion an. Zum Anfang zurück: ein gutes Buch!

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