Spatz & Schwalbe

James Brandon Lewis Trio: Eye of I

Wer von Rockmustern immer noch nur schwer lassen kann, fängt am besten von hinten an: Den elften Track „Fear Not“ haben sie mit den Messthetics arrangiert und eingespielt, einer Experimentalband um zwei Fugazi-Hardcorler; am Moog-Synthie ist Shahzad Ismaily aus New Yorks Downtown-Szene dabei. Erst sanft Gitarre, Saxophon und Bassahnung, dann das Schlagzeug-Signal: Das Sax wird fett, Gitarren und Bass schwer. Acht Minuten Schreiten, das nicht vom Fleck zu kommen scheint und dennoch mit etlichen Soli und mitreißender Dynamik einen riesigen Satz macht, was gut auch auf eine Mogwai-Platte passte. Leader James Brandon Lewis beschreibt den Ansatz auf Eye of I so: „Die Energie zu fassen kriegen und Interaktion – uns geht es als Trio um Vorstellungen von Raum und Erneuerung, indem wir eine Melodie als Herzstück nehmen, als Köder, dem wir nachjagen. Dann ist es ein ausgelassenes Tanzen zwischen dem, was wir bereits kennen, und dem Unbekannten. Genauso machen das ja die Messthetics.“

Nach zwei gefeierten Alben mit elaboriertem Konzept baut Lewis hier auf die erkundende Kraft im Zusammenspiel des „Power Trios“, wie er sie nennt. Neben ihm am Tenorsaxophon sind das Chris Hoffmann am Cello, das er mal zupft wie einen Bass oder streicht und mit Effektgeräten frisiert, und Max Jaffe an den Drums. Drei alarmistische Kurz-Stücke zwischen Free und HipHop-Explosionen, jeweils unter einer Minute, wie „Foreground“ gleich zu Beginn geben dem Album gleichsam den konzentrierten Takt, vor dem sich dann die Melodie-Explorationen wie Landschaften entfalten. Etwa der Song „Someday We’ll All Be Free“ von Soulsänger Donny Hathaway oder die funkelnde Eigenkomposition „Even The Sparrow“ zu Psalm 84: „Wie lieb sind mir deine Wohnungen! Auch der Spatz hat ein Zuhause gefunden, und die Schwalbe ein Nest für ihre Jungen – deine Altäre, HERR Zebaoth.“ Lewis ist Pfarrerssohn, der seine Gospelprägung virtuos und inspiriert zu beackern weiß.

In beiden Tracks ist der Kornettist Kirk Knuffke dabei – umwerfend, wie er und Lewis einander steigern. Und immer sind es ja eigentlich Miniaturen: Erkunden von Melodien, mal lyrisch, mal druckvoll entfesselt. So tun sich Räume auf, die nicht bloß für Spatz und Schwalbe ein Zuhause sind. Herausragend ist auch das gewollt unakademische „The Blues Still Blossoms“, das den Blues-Spirit ohne Schemata erkennen zu lassen als tiefes Gefühl von Erleichterung zu spüren gibt. Ein Album intensiver Erlebnisse zwischen Kraftwerk und Meditation, spirituell, emotional und ästhetisch. Dass sich Legenden wie Marc Ribot oder der mit Lob geizende Sonny Rollins bei James Brandon Lewis schlicht überschlagen, macht Eye of I  nachvollziehbar. Und das hymnische „Fear Not“ am Ende öffnet auch noch dem letzten Jazz-Schmock die Tür.

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