Der neue Johannes XXIII.

Kann Franziskus jetzt zum Reformpapst werden?
Foto: Rolf Zöllner

Die Blütenträume, die mit dem Dienstantritt von Papst Franziskus vor knapp zehn Jahren erblühten, blieben leider immer dies: Träume. Die vom damals neuen Papst angestoßene große Reform der römisch-katholischen Weltkirche, ein Abschied von all dem Pomp und dem Zen­tralismus, eine Enthierarchisierung und Demokratisierung, eine Kirche nicht nur für die Armen, sondern eine arme Kirche, die sich zudem weltweit ihrer anhaltenden Schuld um sexualisierte Gewalt ernsthaft stellt, und nicht zuletzt eine wirklich ökumenisch gesonnene Gemeinschaft … all das ist seit zehn Jahren bestenfalls in Ansätzen zu erkennen.

Ein Grund dafür ist: Starken konser­vativen bis reaktionären Kreisen in der Kirche Roms, nicht zuletzt im Vatikan selbst, schmeckte das alles von Anfang an überhaupt nicht. Und dass diese Bremser mit ihrer Is-doch-alles-jut-Politik immer wieder durchkamen, lag auch daran, dass in den Vatikanischen Gärten knapp zehn Jahre lang Joseph Ratzinger lebte. Der zurückgetretene Papst Benedikt XVI. hintertrieb mit seinem Umfeld, gewollt oder duldend, die möglichen Reformen von Papst Franziskus, meistens hintenrum. Zudem drohte, wie nach Ratzingers Tod noch deutlicher wurde, immer ein Schisma, das der Papst als Symbol­figur der Einheit natürlich floh wie der Teufel das Weihwasser, nämlich eine Spaltung in die Anhänger des neuen und des alten Papstes.

Übertrieben? Keineswegs. Wer sich manche Andeutungen zum Tod Ratzingers im Kirchenvolk und in der Kirchenhierarchie anhörte (etwa von US-Bischöfen oder die nun aufgedeckten Machenschaften gegen Franziskus des gerade verstorbenen Kardinal George Pell), wusste: Eine Spaltung der römischen Weltkirche war eine reale Gefahr. Auch deshalb wurde Franziskus, so ist vernünftigerweise zu vermuten, nach dem Anfangsschwung zunehmend zögerlich bei der Umsetzung seines Reformprogramms.

Die Frage ist: Könnte sich dies nun ändern nach dem Tod des von manchen so boshaft inszenierten „wahren“ Papstes Ratzinger? Sollte Papst Franziskus mit seinen 86 Jahren noch die Kraft dazu haben und nicht zurücktreten, dann ja. Allerdings ist offensichtlich, dass der Pontifex Maximus, so er dies denn wirklich will, nur noch wenige Jahre hat, wenn überhaupt. Sicher erscheint, dass der argentinische Papst in jedem Fall den Abschluss des von ihm angestoßenen weltweiten Synodalen Weges mitmachen will, nämlich die geplante Bischofssynode in Rom 2024. Die dort mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Reformvorschläge könnte er übernehmen, als letzte große Tat seines Pontifikats.

Oder, das wäre die radikale Lösung, er beruft nun anstatt dieser Synode oder in Folge dieser Synode das Dritte Vatikanische Konzil ein, um einen noch größeren Wandel in seiner Kirche zu ermöglichen. Angesichts der dafür notwendigen immensen Vorbereitungszeit würde er ein solches Konzil voraussichtlich kaum mehr erleben, mit Glück vielleicht noch die Eröffnung. Aber auch dafür gibt es in der Kirchengeschichte ein gutes Beispiel: Papst Johannes XXIII., der das letzte Konzil einberief, aber das Ende nicht mehr erlebte. Ein Reformkonzil wäre mehr als ein Blütentraum. Johannes XXIII. wurde heiliggesprochen. 

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