Wo die Auferstehungshoffnung nicht länger verstanden wird, ist sie nicht preiszugeben, sondern vielmehr sprachfähig zu artikulieren, meint die Kasseler Theologin Julia Drube. Chancenreich sei hierfür die Rede vom leeren Grab, denn es verweist auf theologische Leerstellen, die vorliegen, wo Auferstehung hoffnungslos verkürzt oder als geschichtsloses Bedeutsamkeitsphänomen verhandelt wird. Drube reagiert auf die jüngsten Texte von Hans-Jürgen Benedict und Johannes Fischer auf zeitzeichen.net.
Angesichts anhaltender Krisen nahm Hans-Jürgen Benedict eine Relektüre der Theologie der Hoffnung Jürgen Moltmanns vor, in der dieser das eschatologische, in der Wirklichkeit der Auferweckung Christi begründete Hoffnungspotenzial hervorhebt. Zentral für eine theologische Wirklichkeitskonzeption ist in ihr die Zukunft Gottes, die dazu anregen soll, auch die empirische Geschichte hoffnungsvoll wahrzunehmen und zu gestalten. Benedict problematisiert nun, dass die durch die Auferweckungshoffnung motivierte Zukunftseröffnung nicht eingetreten sei, was daran ersichtlich werde, dass die Kirchen trotz sozialen Engagements Mitglieder einbüßen. Ferner könne die Theologie der Hoffnung „den modernen Menschen“ nicht zur Lebenshilfe werden, da sie ihre Voraussetzung der Auferweckung Christi nicht teilen.
Es folgt die Ostereiersuche nach einem alternativen Hoffnungsgrund, der ein vermeintlich enttäuschungsfreieres Christsein ermöglichen soll. Als solchen weist Benedict die Vorstellung einer „Kooperation von Gott und Mensch im hoffenden Handeln“ aus, wobei Gott „mit uns zusammen […] das Schlimmste verhindert“.
Neben dem Eindruck, dass diese Einschätzungen die Arbeit, die in Kirchen tagtäglich geleistet wird, mit Verweis auf den Mitgliederschwund undifferenziert relativiert, legen sich theologische Anfragen nah. Die sicher angemessene Wahrnehmung, dass viele Menschen die Hoffnung auf eine leibliche Auferstehung nicht nachvollziehen können, müsste so nicht notwendig zur Konstruktion osterfreier Light-Hoffnungen führen, sondern sollte dazu motivieren, in Bezug auf den christlichen Zentralgegenstand sprachfähiger zu werden. Dies scheint relevant, da Ersatzhoffnungen sich kategorial von diesem unterscheiden und sein Anliegen verfehlen.
Vieles lässt auf Zukunft hoffen
Menschen richten ihre Hoffnungen so mehr oder weniger begründet auf sich selbst und einander, auf politische Anführer oder schicksalhafte Fügungen. Sie hoffen auf gutes Wetter, rasche Genesung oder Erfolge der Sportmannschaft. Und freilich existiert vieles – vielleicht auch ein Gottesbild im Sinne Benedicts –, das auf die Zukunft hoffen lässt und zum Engagement motiviert. Diese Hoffnung scheint verfügbar – oder zumindest weniger schicksalhaft –, da der Mensch Einfluss auf das Erreichen ihres Ziels einer einigermaßen lebenswerten Zukunft nehmen kann, die nicht völlig ausgeschlossen, aber ausschließlich immanent ist und eben in seiner, des Menschen, Macht liegt.
Die Auferstehungshoffnung entbehrt hingegen menschlicher Beteiligungsmöglichkeiten und weist über die Immanenz hinaus. Im Gegensatz zu Alltagshoffnungen, die sich (zum Glück!) oft als illusorisch erweisen, auch wenn an ihnen festgehalten wird, teilen viele Menschen die Auferstehungshoffnung nicht. Dennoch ist sie Grund zur Hoffnung, weil ihre Wahrheit nicht vom auf sie gerichteten Glauben abhängig ist. Aufgrund der Unterschiedenheit der skizzierten Hoffnungen, scheint es nicht angemessen, immanente Wünsche an die Stelle der überlagerten Auferstehungshoffnung zu setzen. Ein tätiger Umgang für die Mitwelt ist ferner erstrebenswert, begegnet der Fundamentalkrisis der menschlichen Existenz in der Trennung von Gott aber nicht, auf die die Zusage der Auferstehung antwortet. Um sie verständlich zu machen, wäre freilich zu zeigen, dass der Auferstehungsglaube kein unreflektiertes Für-Wahr-Halten eines supranaturalen Ereignisses ist und die Glaubenden ihre Hoffnung auch nicht mit einer Preisgabe der Vernunft erkaufen.[1]
Lebenswelt tangiert
Einen Versuch unternahm Johannes Fischer in seiner zeitzeichen-Antwort auf Benedict, wobei sich sein Fokus auf Benedicts These „Es gibt kein leeres Grab“ richtet. Fischer ruft im Sinne der Unterscheidung von Geschichte und Historie ins Gedächtnis, dass die Ostererzählungen keine Tatsachenaussagen im Sinne empirisch nachprüfbarer Fakten treffen. Sie wollen die Auferstehung auch nicht beweisen, sondern sie aus einer Glaubensperspektive bezeugen. Entsprechend beschreiben sie keine Tatsachen in der empirisch untersuchbaren Geschichte, sondern tangieren die Lebenswelt als Bereich des menschlichen Erlebens in der erinnerten Geschichte. Folglich zielen sie nicht auf die Welt der Tatsachen, sondern auf die „Wahrheit von Aussagen über das, was geschieht“, wobei die Frage, ob der Gegenstand geschehen ist, nicht im Zentrum steht. Auch ohne Referenzobjekt in der empirischen Geschichte kann ihnen Wahrheit zugesprochen werden.
Die Auferstehung wäre demnach kein historisches Ereignis wie der Mauerfall, sondern ein „Bestandteil des Sinnzusammenhangs derjenigen Lebenswelt“, wie etwa Paulus ihn konstruierte. Der Auferstehungsglaube wäre nun kein Glaube an eine Tatsache, sondern ein „Sich-Einlassen auf den Sinnzusammenhang einer Lebenswelt, zu deren erinnerter Geschichte als konstitutiver Bestandteil die Auferstehung Christi gehört“. Diese ist im gegebenen Sinnzusammenhang der erinnerten Geschichte nicht widervernünftig, welcher für das eigene Leben so viel Sinn entfalten könnte, dass auch „moderne Menschen“ sich auf ihn einlassen. Der These, dass ein Auferstehungsglaube nicht länger möglich sei, da „es Tatsache ist, dass es kein leeres Grab gibt“ (Benedict), widerspricht Fischer so mit Verweis auf die Relevanz jener Aspekte der erlebten Welt, die „nicht in der Form des Urteils, sondern in der Form der Erzählung zur Sprache komm[en].“
Der Hinweis Fischers auf die Unterscheidung von Geschichte und Historie wehrt den leidigen Reduktionismus ab, dass nur jenen Texten eine (existenzielle) Relevanz zukommen kann, die Referenzobjekte in der empirisch erfassbaren Geschichte aufweisen. Auch verlockt er durch die Option, die Auferstehung auf die Bedeutungsebene auszulagern, aus der sie – weil subjektiv zugeschrieben – auch von konkurrierenden Rationalitäten nicht vertrieben werden kann.
Differenziertes Verständnis
Die Ebenen der Tatsachen und der Lebenswelt werden von Fischer allerdings idealisierend unterschieden und so stark gegeneinander in Stellung gebracht, dass jene Kontingenzen in empirisch-geschichtswissenschaftlichen Urteilsfindungen, auf die schon Wolfhart Pannenberg verwies[2], ebenso unberücksichtigt bleiben, wie Überschneidungen erinnerter und geschehener Geschichte. Diese sind nicht nur den Literaturwissenschaften bekannt, welche die Gegenüberstellung von faktualen und fiktiven Erzählungen zugunsten differenzierter Kategorien aufgegeben haben[3], sondern auch in der Theologie, wo – etwa bei Karl Barth – von „schmalen historischen Rändern“[4] die Rede ist. Diese Wendung verweist auf ein differenzierteres Verständnis von Zeit und Geschichte, wie auch Jürgen Moltmann es voraussetzt, dessen Geschichtsverständnis nicht in dem analytischen Paradigma aufgeht, das Fischer als Historie von der erlebten Geschichte abgrenzt. So erläutert Moltmann im Weg Jesu Christi, dass Geschichte nur stimmig gedacht werde, wo Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in ihrem Wechselwirken wahrgenommen werden, der Mensch nicht als ihr alleiniges Subjekt gesetzt ist und sie im Verhältnis zum Paradigma der Natur untersucht wird.[5]
Die Frage nach einem angemessenen Geschichtsverständnis würde nun – ebenso wie die nach dem Geschichtsbezug der Auferstehung – Bände füllen und in Bezug auf ihr Ergebnis maßgeblich durch die Realitätsannahmen der Beurteilenden präjudiziert werden. Im Folgenden möchte ich mich daher nicht erneut zur Setzung „Das Grab war nicht leer“ verhalten, die theo/logisch (und selbst geschichtswissenschaftlich) alles andere als zwingend ist[6], sondern auf Leerstellen verweisen, die sowohl in ethisierenden Preisgaben der Auferstehungshoffnung wahrzunehmen sind als auch dort, wo sie als geschichtsloses Bedeutsamkeitsphänomen verhandelt wird.
Leerstelle 1: Das Subjekt der Auferstehung
Die Hoffnung auf die Auferweckung eines Toten ist nur im Horizont der Gottesfrage sinnvoll[7] und macht es daher erforderlich, diese und das je vorausgesetzte Gottesbild zu reflektieren. Die Grableerfindungserzählungen und ihr Gegenstand verweisen so in Übereinstimmung mit den alttestamentlichen Schriften und dem Konzept der Inkarnation auf Gott als Herrn der Geschichte und Sieger über den Tod, auf den die Menschen angewiesen bleiben. Die Auferweckung Jesu ist hier kein isoliert-willkürlicher Machtbeweis ebendieses Gottes, der von einer spektakulären Grableerwerdung begleitet wird. Vielmehr handelt es sich um einen Erweis seiner Treue zu seinem (materiellen, empirischen, geschichtlich konstituierten) Geschöpf, das er nicht der Vernichtung anheimgibt. Im Sinne Moltmanns steht hier in Aussicht, was eschatologisch in Bezug auf die gesamte Schöpfung zu erwarten ist. Augenfällig weicht diese Vorstellung von der eines Gottes ab, der es mit Hilfe der Menschen mit Not schafft, „das Schlimmste zu verhindern“. Die Angewiesenheit eines solchen Gottes auf die Menschheit ist offensichtlich. Zu fragen wäre aber, wozu diese ihn benötigt, wenn er nur ein Weiterer wäre, der an den Ungerechtigkeiten unserer Welt Anstoß nimmt.
Leerstelle 2: Der Glaubensgrund im Damals & Dort
Ein hartnäckiges Missverständnis besteht in der Annahme, dass Verweise auf Geschichtsbezüge der Auferstehung dazu dienten, sie zu beweisen, was weder möglich noch sinnvoll wäre. Dass ihnen andere Qualitäten zukommen und sie inhaltliche Aussagen, wie die Wertschätzung der gesamten Schöpfung durch Gott oder die Verankerung der Auferstehung in der Geschichte, transportieren, bleibt unterbestimmt.
Dies wird am Beispiel des leeren Grabes ersichtlich, dessen Erwähnung stets von Hinweisen darauf begleitet wird, dass es die Auferstehung nicht beweist und auch keinen Glauben weckt. Aus diesen unstrittigen Feststellungen folgt sodann nicht selten die Ableitung, dass der empirische Zustand des Grabes irrelevant sei.[8] Mit dieser Verabschiedung der durch sie angezeigten leiblichen Dimension der Auferstehung verliert die christliche Verkündigung an Kontur und Sprachfähigkeit. Ihre Hörer werden um die Möglichkeit beraubt, sich von den fremdartigen Vorstellungen irritieren zu lassen, und jene Fragen nach dem Grund der christlichen Hoffnung werden verschüttet, um die Karl Barth und Rudolf Bultmann noch in theologischer Ernsthaftigkeit streiten konnten.
Worauf darf ich angesichts des Todes hoffen und wie begründe ich dies? Hoffe ich auf Erlösung, weil ein konkretes Geschehen mich zu dieser kühnen Vorstellung verleitet, oder beschreibt Ostern letztlich doch „nur“ ein Zum-Glauben-Kommen an einen Gegenstand, der kein außersubjektives Referenzobjekt in der empirisch-objektiven Welt aufweist? Und: Benötigt „der moderne Mensch“ noch Auferstehungshoffnung, oder hat er sich inmitten aller Krisen mit der Angst in der Welt und dem notwendigen Tod abgefunden, sodass es ihm reicht, wenn sie einigermaßen bewohnbar bleibt?
Leerstelle 3: Konkrete Zusprüche und Ansprüche
Wo Texte bei den Verweisen darauf verbleiben, was sie nicht aussagen (leeres Grab als Beweis/ Glaubensgrund) oder sich mit der Betonung zufriedengeben, dass ihre Inhalte mit modernen Rationalitäten vereinbar sind, verbleiben sie im Vorraum der Diskussion, ohne an ihr teilzunehmen. „Auferstehung“ wirkt dann als für gewisse Personen irgendwie bedeutsames Konzept weniger anstößig, aber bleibt harmlos unterbestimmt. Eine ganzheitliche Auferstehungshoffnung, wie das leere Grab sie ausdrückt, zeugt so vielmehr vom bedingungslosen Angenommensein des Menschen. Denn: In seiner gesamten, so herrlichen wie elendlichen Konstitution, wird er der Bewahrung und Vollendung für würdig befunden und zugleich mit all seinen Limitationen ernstgenommen. Leiblich konstituiert ist er bleibend auf seinen Nächsten verwiesen, auf den die besagte Hoffnung nun genauso abzielt, wie auf die Mitschöpfung, die ebenfalls nicht im Sinne eines gescheiterten Projekts aufgegeben wird. Auch sie soll ihre Vollendung schauen, was ernstlich dazu motivieren kann, sich für ihren Erhalt einzusetzen. Eine solche Hoffnung kann dann nicht gleichgültig sein. Sie richtet Ansprüche an einen Menschen, dem zugetraut wird, schon jetzt irgendwie der zu sein, der er eschatologisch sein wird und auch seine Mitschöpfung in diesem Licht zu sehen.
Im Unterschied zu austauschbaren Frühlingsmetaphern, die ebenfalls „die Wende vom Tod zum Leben ausdrück[en]“ (Benedict), konkretisiert das leere Grab so in seiner Mehrdeutigkeit, die es Instrumentalisierungen als Beweis entzieht, die Auferstehungshoffnung und verweist auf ihren Grund – die Auferweckung Jesu von Nazareth. Wo wir uns nicht mit einer Theologie der Hoffnungslosigkeit abfinden, dürfen wir diese Auferweckung Jesu von Nazareth verkünden. Eine Hoffnung, die in ihr gründet, ist dann mehr als eine weitere „Lebenshilfe“ in einer krisenpermanenten Welt. Sie bekennt, dass auch „der moderne Mensch“ guten Grund hat, an ihre Veränderung, Zurechtbringung und Vollendung zu glauben.
[1] Bei Rudolf Bultmann sacrificium intellectus, siehe etwa: Jesus Christus und die Mythologie, 156-158.
[2] Pannenberg, Wolfhart: Grundzüge der Christologie, 95 ff.
[3] Luther, Susanne: Jesus was a man,…but Christ was fiction, 198 f.
[4] Barth, Karl: KD III/2, 535.
[5] Moltmann, Jürgen: Der Weg Jesu Christi, 249 ff.
[6] Drube, Julia: Das leere Grab als Leerstelle und Lehrstelle, 289 ff.
[7] Ringleben, Joachim: Wahrhaft auferstanden, 45 f.
[8] Drube, Julia: Das leere Grab als Leerstelle und Lehrstelle, 203 ff.
Julia Drube
Julia Drube ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Religionspädagogik an der Universität Kassel.