Nach längerer Zeit ist mal wieder ein Papier zu Stand und Wesen der „kleinen“ Ökumene erschienen, also der Ökumene von beziehungsweise zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Der etwas längliche Titel lautet: „Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit – Zu den Chancen einer prozessorientierten Ökumene“. Das 64-seitige Papier dokumentiert nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der „kleinen“ deutschen evangelisch-katholischen Ökumene. Um dies zu erkennen, reicht es, die beiden entscheidenden Sätze aus dem Dokument zu rezipieren: „Aufgrund des bereits gegangenen Weges sagen wir als Deutsche Bischofskonferenz und Rat der EKD: Wir wollen nicht mehr ohne den Dialog mit Euch Kirche sein. Das gilt, weil wir in den letzten Jahrzehnten so viel miteinander und voneinander gelernt haben.“ Mit diesem „Alles mit dir, nichts ohne dich“-Prinzip sind jede Reste einer Rückkehrökumene und jedwede Absicht der Proselytenmacherei erledigt. Denn gäbe es das jeweilige Gegenüber nicht mehr, dann wäre ja ein Willensgrund des jeweils eigenen Kirche-Seins fortgefallen. Eine perfekte Antwort in Zeiten des Pluralismus!
Ansonsten wird in der Schrift aufgezeigt, auf wie vielen Gebieten die beiden Kirchen gut und vertrauensvoll zusammenarbeiten, und besonders wird das vielerorts enge, ja herzliche und produktive Miteinander an der Basis gerühmt. Das entspricht sicher der Wahrheit und dokumentiert Früchte einer Entwicklung, die sich kontinuierlich nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog, der durch Flucht und Migration eine neue konfessionelle Durchmischung in unserem Land auslöste und die dann in den 1960er-Jahren durch gewisse Liberalisierungen des Zweiten Vatikanischen Konzils befördert wurde.
Ansonsten stehen viele Katholiken in Deutschland gerade vor dem Trümmerhaufen des Synodalen Weges und der bangen Frage, ob und wie sich ein Synodaler Rat aus Klerikern und Laien formieren kann, obwohl Rom ihn ablehnt. Und viele Protestanten stehen weithin unter dem Schock der ForuM-Studie über Missbrauch im Raum der evangelischen Kirche und vor der großen Aufgabe der angemessenen Haltung und des angemessenen Umgangs damit – von den massenhaften Austritten allerorts ganz zu schweigen.
Angesichts dieser Lage haben beide Seiten ihr Päcklein zu tragen. Da scheint es vernünftig, ein schiedlich-friedlich versöhntes Miteinander zu konstatieren, was mit dieser Schrift gelingt. Sollte sich aber katholischerseits doch noch ein Synodaler Rat etablieren, stünde man dann evangelischerseits vor der Frage, inwieweit er auch ein offizielles Gegenüber für die EKD sein müsste. Bisher gibt es da auf katholischer Seite nämlich nur geweihte Würdenträger. Spannend.
Information
Mehr über das neue ökumenische Papier und den aktuellen Stand der Ökumene lesen Sie unter:
www.zeitzeichen.net/node/11032 und www.zeitzeichen.net/node/11034.
Mehr Sichtbarkeit in der Einheit und mehr Versöhnung in der Verschiedenheit können Sie unter www.ekd.de als PDF herunterladen oder als Druckausgabe bei versand@ekd.de bestellen.
Reinhard Mawick
Reinhard Mawick ist Chefredakteur und Geschäftsführer der zeitzeichen gGmbh.