Besonders besonders

Faszinierende Compagney

Die vergangenen Jahrzehnte lehren, dass es in unseren Breiten kaum noch Winter gibt, und wenn, dann wird er meist erst im neuen Jahr aktiv, gerne auch im Februar, zuweilen sogar noch ausgeprägt im März. Insofern ist es höchste Zeit, auf die Winterreisen der Lautten Compagney Berlin hinzuweisen. Hier werden Winterlieder und auch Weihnachtsmusik mit klingenden Texten kombiniert, die neben der bitt’ren Kälteklage auch die damit korrespondierenden menschlichen Gemütszustände Einsamkeit und Trauer mit Licht- und Erlösungshoffnungen verbinden.

Das Besondere dieser sehr besonderen Produktion aber ist der Zusammenklang verschiedener Musikstile und Geisteswelten, der sich im staunenden Hörer weiterspinnt. So gibt es immer wieder irritierend-faszinierende Kombinationen, wie zum Beispiel gleich zu Beginn der knapp 70-minütigen CD: Dort trifft das Volkslied „Ach bittrer Winter, wie bist du kalt“ aus dem 16. Jahrhundert auf das geistliche Konzert „Himmel und Erde vergehen“ aus den Musicalischen Gesprächen über die Evangelia von Andreas Hammerschmidt (1611–1675). Wobei das Widerständige darin liegt, dass das vertonte Christuswort aus Matthäus 24,35 in Gänze so lautet: „Himmel und Erde vergehen, aber meine Wort vergehen nicht.“ Kunstvoll wird dann die apokalyptische Rede Jesu mit dem Beginn der alten, vorreformatorischen Adventskollekte „Lieber Herr Gott, wecke uns auff, wenn dein Sohn kömmt, daß wir bereit seyn“ vermischt.

Ähnliche Folgen von Kälte, Sehnsucht, Hoffnung und Wachsamkeit sind zu finden, wenn auf „Entlaubet ist der Walde“ dann mit „Es kommt ein Schiff, geladen“ und „Jesu, mein Jesu, wenn ich nur dich habe“ folgen. A und O dieser gedanklich tiefsinnig zusammengefügten Textvielfalt, die bei jedem Erleben im Hörer neue Gedankenreisen und Gefühle auszulösen vermag, sind aber die kunstvollen musikalischen Arrangements und die hinreißende, klangprächtige Interpretation, mit denen die Lautten Compagney in dieser Ode zwischen Kälte / Finsternis und Wärme / Licht aufwartet: Streicher, Blockflöte, Zink, Posaune, Dulcian und natürlich ein reichhaltiges Continuoensemble (vier Lauten!). Dazu die wirklich vorzüglichen Sänger:innen Hanna Herfurther (Sopran), David Erler (Alt), Stephan Scherpe (Tenor) und Jakob Ahles (Bass), die sowohl als souveräne Solisten wie auch im wuchtigen Quartett zu überzeugen wissen.

Apropos Lautten Compagney: Wer es bisher nicht wusste, dem sei es gesagt: Die von Wolfgang Katschner geleitete Formation ist eine der besten Formationen zwischen Alter Musik und Weltklang, die es gibt, und diese Winter Journeys sind ein absolutes Must-Have. Insofern fasst man sich an den Kopf, dass der Senat der in Berlin ansässigen Lautten Compagney als Geschenk zum 40-jährigen Bestehen die Förderung empfindlich kürzen will. Wer weiß, wie kalt es künftig noch wird …

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