Dem Evangelium gemäß

Es gibt für den Pfarrberuf keine objektiven Instrumente zur Leistungsbemessung
Fotos: Pfarrerverband
Zahlen erzählen nichts über die geistliche Dimension.

Den Befürwortern einer leistungsbezogenen Besoldung ist Recht zu geben: Pfarrpersonen sollten nach Leistung bezahlt werden! Dafür schlage ich zunächst die Angleichung der Besoldung in den ostdeutschen Kirchen an das Westniveau vor. Dann die Rücknahme der Kürzungen der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre in den Kirchen und eine bundesweite Übernahme der Besoldung und Versorgung der bayerischen Landeskirche inklusive Rückkehr zur Orientierung am Einkommen von Richtern. Zudem schlage ich die Rücknahme aller Verteuerungen des Wohnens im Pfarrhaus und die Einführung von Ersatzleistungen aufgrund von Übergröße und Sanierungsstau vor. Schließlich schlage ich die Erhöhung der Wegstreckenentschädigung vor, damit nicht jeder dienstlich gefahrene Kilometer mit dem Privatwagen vom Familieneinkommen subventioniert wird. Die Kirchenleitungen nehmen ihre Fürsorgepflicht wahr, indem sie unermüdlich mit den Finanzämtern an der pfarramtlichen Wirklichkeit orientierte Regelungen aushandeln. Warum das alles? Weil ein Arbeiter seines Lohnes wert ist, und Pfarrpersonen heute nicht weniger leisten als zu der Zeit vor den Kürzungen.

Keine Kriterien

Meine Vorschläge zur Ausstattung von Pfarrpersonen als Motivation für ihren anspruchsvollen, verantwortlichen und in Kirche und Gesellschaft unersetzlichen Dienst werden bei den Befürwortern einer leistungsbezogenen Besoldung kaum auf Gegenliebe stoßen. Denn bei ihnen spielt die Anerkennung der im Pfarramt zu erbringenden Leistung in der Vielfalt der Aufgaben in den unterschiedlichen und sich verändernden Dienstaufträgen kaum eine Rolle. Leistung erscheint ihnen - wie sonst in Wirtschaft und Gesellschaft - auch im Pfarrberuf messbar. Ein Mehr an Gottesdiensten, Täuflingen, Veranstaltungen und den dort gezählten Leuten, gilt ihnen als Leistung. Das bedeutet aber, dass eine Pfarrerin in den Weiten Brandenburgs wenig leistet, da sie übermäßig viel Zeit im Auto verbringt, um ihre wenigen versprengten Gemeindeglieder zu besuchen oder in einer der vielen in ihrer Verantwortung stehenden Kirchen mit ihnen Gottesdienst zu feiern. Die Zahlen dieser Pfarrerin stimmen nicht - leistet sie also weniger als ihr Amtsbruder in einem bürgerlichen Stadtteil Münchens? Leistet ein Pastor in einer Landgemeinde, in der die Kirche der einzig verbliebene Kulturträger ist, weniger als die Pfarrerin an der Kulturkirche in der Stadt? Leistet die Pfarrerin auf dem Dorf, die regelmäßig ihre Gemeindeglieder im Krankenhaus besucht, weniger als ein Pastor an einem Klinikum? Oder ein Pfarrer mit 4.000 alteingesessenen Gemeindegliedern in der Kleinstadt weniger als die Pfarrerin in einem Stadtteil mit ebensolchen Zahlen, aber hoher Fluktuation? Oder ein Schulpfarrer weniger als eine Bildungsreferentin bei der Kirchenleitung?

Um in all diesen und den unendlich vielen anderen Fällen Leistung zu beschreiben, braucht es klare, nachvollziehbare und verifizierbare Kriterien. Und die gibt es nicht. Es braucht zudem objektive Instrumente, Leistung zu messen und in Kataloge einzuordnen, aus denen dann eine entsprechende Besoldung errechnet wird. Solche Instrumente gibt es ebenfalls nicht. Auch fehlen innerkirchliche Hierarchien in ausreichender Menge für Aufstieg bei Leistung und Abstieg bei weniger Leistung, zum Beispiel durch Krankheit, Behinderung, Kinder oder die Pflege Angehöriger. Zumindest bräuchte es zur Leistungsergründung Stechuhren und Zählmaschinen, unabhängige Beobachter sowie Zufriedenheitsumfragen in Gemeinden, Einrichtungen und Werken. Solche Systeme missachten, dass kirchliche Orte organische Einheiten mit höchst unterschiedlicher Ausprägung sind, die zudem einem steten Wandel unterliegen. Sie lassen sich ebenso wenig objektiv beschreiben wie der Pfarrdienst, der in ihnen nötig ist.

Dem Pfarrberuf wesensfremd

Nicht umsonst hat sich die Dienstrechtliche Kommission der EKD bei der Erarbeitung des Pfarrdienstgesetzes und des Besoldungs- und Versorgungsgesetzes gegen eine leistungsbezogene Besoldung ausgesprochen. Sie ist dem Pfarrberuf wesensfremd, weil die berufliche Leistung von Pfarrpersonen nicht objektiv messbar ist. Dienste können gezählt werden. Aber Zahlen erzählen nichts über die geistliche Dimension. Es gibt Pfarrpersonen, die hervorragend predigen und sensibel, seelsorglich und situationsbezogen Gottesdienst gestalten und dennoch nur eine kleine Gemeinde sammeln. Und oft ist zu hören, dass sich Gemeindeglieder für eine gelungene Taufe oder Amtshandlung bedanken, die sie in Wort und Gestaltung tief berührt hat, aber nicht auf den Gedanken kommen, sonn- oder feiertags mehr davon zu erfahren. Und die Vielen, die in Kliniken auf höchstem seelsorglichem Niveau von Pfarrpersonen begleitet werden, finden selten den Weg zu Gottesdiensten und Veranstaltungen in ihrer Heimatgemeinde. Ähnliches gilt für Urlauberseelsorge oder Religionsunterricht.

Leisten all diese Pfarrpersonen weniger als andere, nur weil ihre Zahlen nicht stimmen? Nein! Aber ihre Leistung ist nicht messbar. Wohl kann beurteilt werden, ob ihre Leistung dem Evangelium gemäß ist. Ansonsten weht Gottes Geist wo er will, und schmale Zahlen sind dann womöglich Hinweis auf Umbrüche, die wir nicht in der Hand haben, aber bestimmt nicht Folge von Leistungsverweigerung vermeintlich zu kommod ausgestatteter Pfarrpersonen, die einfach nur besser werden müssten, um mehr Menschen zu erreichen und an die Kirche zu binden. Es ist Christus selbst, der seine Kirche baut und erhält. Und darum wäre es am besten, wenn Pfarrpersonen von allem befreit würden, was ihren Einsatz für ihre Arbeit am Evangelium und damit am Menschen beeinträchtigt. Pfarrerinnen und Pfarrer leisten gern ihren Dienst am Evangelium. Diese Leistung erbringen sie je nach Persönlichkeit auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Schwerpunkten, gebunden an ihr Ordinationsversprechen. Dafür sind sie angetreten. Sie können es noch besser, wenn sie Zeit fürs Wesentliche haben und über Geld nicht viel reden müssen.

Peter Barrenstein: Weiterentwicklung des Einzelnen

Andreas Kahnt

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Meinung"