Theologische Bankrotterklärung

Gottes Heilswille ist universal und der Auftrag zur Mission klar
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Der Verzicht der Kirche auf die Mission unter Muslimen würde eine Preisgabe der Christologie bedeuten.

Ja, warum denn nicht?! Schließlich ist die Ausgangslage doch eindeutig: "Gott will, dass alle Menschen gerettet werden und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (Erster Timotheus 2,4). Weil Gottes Heilswille universal ist, hat er Jesus als Retter in diese Welt gesandt und seine Nachfolger - und damit die Kirche - an seiner Mission zur Rettung einer heillosen Welt beteiligt: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch" (Johannes 20,21). Mission geht also vom dreieinigen Gott selbst aus, darum reden wir von der missio dei (= Mission Gottes). Sie ist Ausdruck der sehnsüchtigen Liebe Gottes nach einer heilvollen Beziehung zu allen seinen Geschöpfen - und nicht Ausdruck eines Expansionsdrangs der Institution Kirche. Nicht die Kirche treibt Mission, sondern die Mission Gottes treibt die Kirche.

Ist Gottes Heilswille universal und der Auftrag zur Mission klar, so folgt für etliche Kirchenführer und Christen daraus doch keineswegs, dass die Kirche auch Muslime missionieren sollte. So hat die Evangelische Kirche im Rheinland jüngst eine Arbeitshilfe mit dem Titel "Weggemeinschaft und Zeugnis im Dialog mit Muslimen" herausgegeben, in der sie offen erklärt: "Eine strategische Islammission oder eine Begegnung mit Muslimen in Konversionsabsicht bedroht den innergesellschaftlichen Frieden und widerspricht dem Geist und Auftrag Jesu Christi und ist entschieden abzulehnen." Wie kann man angesichts der eindeutigen Auftragslage zu einer solchen Schlussfolgerung kommen? Das ist offensichtlich nur möglich, weil man die inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam für wesentlicher hält als alles Trennende. "Es geht darum, den gemeinsamen Auftrag von Christen und Muslimen in der Welt zu erkennen." Die Arbeitshilfe spricht daher von einer "Weggemeinschaft" mit dem Islam und unterstreicht, dass da, wo wir Christen Zeugnis ablegen von der Liebe Gottes zu seinen Menschen und Teil der missio dei werden, "Muslime auf diesem Wege an unserer Seite sind".

Was der Heilige Geist schafft

Man fragt sich, ob Muslime überhaupt Christen werden sollten? Die Arbeitshilfe der rheinischen Kirche schließt diese Möglichkeit nicht aus: "Auch der Wechsel von einer Religion zur anderen muss möglich sein, Bekehrung zum Christentum bleibt aber das Werk des Heiligen Geistes." So theologisch richtig dieser Satz ist, wirft er doch die Frage auf: Warum soll die Kirche nicht grundsätzlich das wollen, was der Heilige Geist schafft, nämlich die Bekehrung von Menschen zu Jesus Christus? Wenn wir als Kirche ehrlich darum bitten: "Komm, Heiliger Geist!" und dieser Heilige Geist auch die Bekehrung von Muslimen bewirkt, dann kann man andererseits doch nicht behaupten, dass Islammission "dem Geist und Auftrag Jesu Christi widerspricht". Spätestens an dieser Stelle wird die Widersprüchlichkeit in den Aussagen der Arbeitshilfe deutlich.

Der Verzicht der Kirche auf die Mission unter Muslimen bedeutet vor allem eine Preisgabe der Christologie beziehungsweise der Soteriologie, also der Lehre von der Erlösung. Die entscheidende Frage ist dabei, ob Jesus Christus durch sein Leiden, Sterben und Auferstehen die Erlösung aller Menschen bewirkt hat, und daher seine Passion heilsnotwendig für Muslime ebenso wie für die übrige Menschheit ist. Wenn nun Christen bei der Begegnung mit Muslimen das Herzstück ihres Glaubens - die Rechtfertigung des Menschen allein aufgrund der Gnade Gottes in Christus - verschweigen, dann kommt dieses Schweigen einer theologischen Bankrotterklärung gleich. Bekanntlich kennt der Koran keinen am Kreuz für uns gestorbenen Christus: Umso wichtiger wäre es, Muslimen zu bezeugen, dass sich die überwältigende Liebe Gottes zu uns gerade im Tod Jesu am Kreuz manifestiert. Aber vielleicht ist die Kirche heute gerade im Blick auf das Zentrum ihres Glaubens zu einer verunsicherten Kirche geworden. So überrascht dann auch nicht mehr die Aussage in der rheinischen Arbeitshilfe, wonach "muslimische Vorbehalte gegen die Kreuzestheologie Christen daran erinnern könnten, dass Gott keine Opfer will, dass er nicht den Tod des Gerechten will, sondern dessen Leben, dass er daher Jesus Christus nicht dem Tod überlassen hat". Ich reibe mir verwundert die Augen: Wie bitte? Gott hat den Tod Jesu nicht gewollt?! Dann wäre der Ausgang des Ringens Jesu mit seinem himmlischen Vater in Gethsemane (Matthäus 26,36ff) ja ein komplettes Missverständnis gewesen!

Große Dankbarkeit

Gegenwärtig kommen Muslime als Flüchtlinge und Asylbewerber in großer Zahl in unser Land: eine großartige Möglichkeit, ihnen einfühlsam und tatkräftig unsern christlichen Glauben zu bezeugen. Auf die Frage, ob die Kirche einen Auftrag darin sehe, die als Flüchtlinge zu uns kommenden Muslime zu missionieren, meinte kürzlich ein Bischof, dass wir auf diese Weise nicht die Notlage dieser Menschen ausnutzen dürften. Aber kommt es dem schäbigen Ausnutzen einer Notlage gleich, wenn wir Menschen, die oft vor dem Terror islamistischer Fanatiker geflohen sind und dadurch auch in ihrem Selbstverständnis als Muslime erschüttert und ins Fragen gekommen sind, das Evangelium verkündigen und sie einladen, unseren Glauben kennenzulernen? Auch der sich so zurückhaltend gebende Bischof sollte zur Kenntnis nehmen, dass gegenwärtig in unserem Land Hunderte von geflohenen Muslimen an Tauf- und Glaubenskursen teilnehmen - übrigens auch in landeskirchlichen Gemeinden. Fragt man diese Menschen, was sie zu dem Schritt bewogen hat, Christen zu werden, dann äußern sie eine große Dankbarkeit, in Deutschland Christen begegnet zu sein, die sie eingeladen haben, in Jesus Christus den größten Schatz ihres Lebens zu finden.

Um nicht missverstanden und sogleich in die Ecke fundamentalistischer Hardliner gerückt zu werden: Natürlich setzt eine einfühlsame Mission unter Muslimen voraus, dass ich mich respektvoll auf ihren Glauben einlasse, mich mit der Botschaft des Koran befasse und im Dialog Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Christentum und Islam auslote. Und natürlich gehört zur Mission immer, den ganzen Menschen mit seinen sozialen, seelischen und leiblichen Nöten im Blick zu haben - so, wie es Jesus uns vorgelebt hat. Um Muslime für den christlichen Glauben zu gewinnen, bedarf Mission eben nicht nur des verbalen Zeugnisses, sondern der Bereitschaft - wenigstens partiell - das Leben mit ihnen zu teilen und ihnen mit praktischer Hilfe zur Seite zu stehen.

Perry Schmidt-Leukel: Gott ist der Gott aller Menschen

Klaus Jürgen Diehl

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