Unberechenbar

Der ewige menschliche Faktor
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Die Lust des Menschen an Kriminalfällen ist unausrottbar, das hat sich seit den Tagen Jack the Rippers nicht geändert.

Immer geht es um die Verstrickungen, die zum banalen oder passionierten Bösen führen - um Schuld und Strafe. Von Sühne zu schweigen. Der Autor liest seine Erzählungen selbst. Seine Stimme unterstreicht den Grundton melancholischer Temperiertheit, beileibe kein Sentimentalitäts-Tremolo. Manchmal scheint dabei die nie objektivierbare Kitschgrenze ein wenig touchiert zu werden. Das wird nur übel nehmen, wer sich ungern rühren lässt. Ganz ohne heikle Grenzberührungen kommt die Geschichte einer jungen Deutsch-Türkin aus: Sie hat sich aus den Fesseln ihrer islamisch-traditionellen Familie freigekämpft, hat es zur Anwältin in einer großen Kanzlei gebracht - aus dem Impuls heraus, selbst ohne den Schutz durch das Recht allzu verletzlich zu sein. Nun übernimmt sie ihren ersten Fall. Sie ist erfolgreich, ihr Mandant wird freigesprochen. Doch gerade das erschüttert sie zutiefst, ist sie doch davon überzeugt, dass er wirklich der üble Menschenhändler und Zuhälter ist, als der er angeklagt wurde. Sie habe sich das alles anders vorgestellt, sagt sie am Ende der Geschichte zum Senior der Kanzlei, der ihr Vorbild ist und fast so etwas wie ein anderer Vater. Die Lust des Menschen an Kriminalfällen ist unausrottbar, das hat sich seit den Tagen Jack the Rippers nicht geändert - und ebensowenig, dass die authentischen Fälle den Bedarf nicht decken. Ferdinand von Schirach bietet alles, was Krimiliebhaber goutieren, doch seine Kunst besteht darin, das eindrücklich spürbar werden zu lassen, was auch die zivilisierteste Gesellschaft zu einem gefährlichen Ort macht: den unberechenbaren menschlichen Faktor.

Helmut Kremers

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