Urlaubsreif
Zu den medialen Ritualen des Sommers gehört die jährliche Umfrage unter Spitzenpolitikern, wo sie ihren Urlaub verbringen. Leider lag diese vor Redaktionsschluss noch nicht vor, aber man konnte gepflegt mutmaßen. Denn in Urlaubsdingen sind nicht nur konservative Politiker konservativ. Legendär war die rot-grüne Toskana-Fraktion rund um die Jahrtausendwende, deren Mitglieder sich stets im sonnigen Italien bei gutem Wein Jahr für Jahr so tolle Ideen wie das Erneuerbare Energiengesetz, die doppelte Staatsbürgerschaft oder die Riester-Rente einfallen ließen. Gut, letztere entstand wahrscheinlich in Hannover und war eher eine Schnapsidee. Aber ansonsten konnte man sich sicher sein, dass diese Politiker ganz entspannt wieder an die Arbeit gehen werden.
Richtig verlassen konnte man sich bisher auch auf die Kanzler der Union: Konrad Adenauer schob die ruhige Boccia-Kugel in Cadenabbia, Helmut Kohl sich selbst und seine Familie rund um den Wolfgangsee. Und auch Angela Merkel blieb sich bislang bei ihrer Urlaubsgestaltung treu. Wandern in Südtirol, moderates Tempo, Schritt für Schritt nach vorn, so wie das ihr Stil ist. Damit soll sie sogar schon den Mega-Berg-Bezwinger Reinhold Messner beeindruckt haben. Diese Frau läuft immer weiter, egal, welche Fallstricke ihr gelegt werden.
Apropos – was macht eigentlich Horst Seehofer in diesen Wochen? Urlaub in Ungarn, Österreich oder sonstwo im K.-und-K.-Gebiet? Wandern an der Grenze von Transitzentrum zu Transitzentrum, oder wie immer die jetzt heißen? Kreuzfahrt im Mittelmeer zur Erkundung von möglichen Ausschiffungsplattformen? Von wegen! Bereits im vergangenen Sommer hatte er angekündigt, dass er zwei Jahre lang gar keinen Urlaub machen wolle. Schließlich war ja letztes Jahr Bundestagswahl und in diesem Jahr machen die Bayern ihr Kreuz auf dem Wahlzettel. „Ein paar Tage im August, an denen man
ausschlafen kann, das reicht mir“, verkündete er damals. Man muss aus heutiger Perspektive feststellen: Es reichte nicht. Denn wer bisher dachte, den Mann treibt die Angst vor der AfD zu seinen politischen Querschlägereien, wird
nun eines besseren belehrt: Horst Seehofer ist einfach nur urlaubsreif! Er braucht Luftveränderung, muss raus aus dem Mief der Bierzelte in Bayern, weg aus der Berliner Luft mit dem besonderen Duft.
Aber wohin mit ihm? Wer jetzt sagt „In die Wüste“ oder „Dahin, wo der Pfeffer wächst“, verkennt die seelsorgerliche Dimension dieses Anliegens. Mediterranes Klima wäre wohl grundsätzlich gut, aber der Blick auf das Mittelmeer würde bei ihm wahrscheinlich keine rechte Urlaubsstimmung aufkommen lassen. Nordsee? Ostsee? Die Berge? Wir brauchen Vorschläge. Wir starten eine Twitter-Aktion unter dem Hashtag #Horstsholiday. Der meistgenannte Ort gewinnt! Nur Elba und St. Helena gelten nicht ...
Stephan Kosch