Gedämpftes Rauschen
Es gab nur ein Lüftchen im Blätterwald, ein kleines Rauschen, deutlich gedämpfter als beim Auftakt des Jubiläumsjahres „500 Jahre Reformation“ am 31. Oktober 2016, als die Evangelische Kirche in Deutschland und die katholische Deutsche Bischofskonferenz am 11. März ihren ökumenischen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in der St. Michaeliskirche zu Hildesheim feierten. Das Motto: „Erinnerung heilen - Jesus Christus bezeugen“. Dabei konnten die beiden großen Kirchen über mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Staatsspitze der Bundesrepublik Deutschland nicht klagen, waren doch die vier höchsten Repräsentanten des Staates angereist, darunter der inzwischen aus dem Amt geschiedene Bundespräsident Joachim Gauck, der eine bemerkenswerte Ansprache hielt.
Natürlich ist es gut und wichtig, dass EKD und DBK zusammen so einen historischen Gottesdienst inszenieren, und Joachim Gauck traf in seiner letzten großen öffentlichen Rede im Amt durchaus einen liebevollen Ton, als er sich selbst als Josef an der Weihnachtskrippe inszenierte und den Gottesdienst so charakterisierte: „Das Wunder ist nicht ganz so groß wie das vor zweitausend Jahren, als der Gottessohn geboren wurde. Aber wer die Geschichte der getrennten Kirchen in den letzten fünfhundert Jahren einigermaßen im Kopf hat, kommt nicht umhin, im heutigen Ereignis zumindest ein Zusammenspiel menschlicher Anstrengung, menschlichen guten Willens auf der einen Seite und gnädiger Hilfe andererseits zu entdecken.“
Gewiss, guter Wille ist in diesem Jubiläumsjahr reichlich vorhanden. Auf Seiten der Bischofskonferenz, deren Repräsentanten noch vor einigen Jahren davon redeten, es wäre ihnen am liebsten, das ganze Jubiläum 2017 müsste es gar nicht geben. Besonders aber auf Seiten der EKD, deren Spitzen ohne jedes Murren ertragen, dass auch in Hildesheim immer nur von „Reformationsgedenken“ und höchstens von „Reformationsjahr“ die Rede ist, aber das „böse J-Wort“, sprich Reformationsjubiläum, kein einziges Mal fällt. Nobel ist auch, in die Sprachregelung einzustimmen, dass die bisher fehlende Möglichkeit der gemeinsamen Eucharistie ein gemeinsames Problem sei. Das stimmt nicht, denn der Ausschluss der Protestanten von der Eucharistie und das Verbot für Katholiken, am evangelischen Abendmahl teilzunehmen, sind und bleiben vorerst ein Problem der römisch-katholischen Kirche.
Daran zu erinnern, ist nicht kleinkariert, sondern will nur vermelden, dass die ökumenische Stimmung in Deutschland besser ist als die Lage. Seit vielen Jahren hakt es an wichtigen Punkten im ökumenischen Gespräch, obwohl sich doch langsam wirklich der Gedanke durchsetzen müsste, dass sich die verschiedenen Kirchen beziehungsweise Christentümer nur versöhnt aber verschieden auf den Weg durch das 21. Jahrhundert machen können. Genauso wie es der nunmehr frischgebackene Altbundespräsident sagte: „Eine Zukunft wird das Christentum in unserem Land am ehesten als ökumenisches haben - in welcher Gestalt und mit welchen Profilen auch immer es sich zeigen wird. Von hier und heute geht ein sehr hoffnungsvolles Signal aus. Aber von hier und heute geht auch die Botschaft aus, dass weitere Schritte zu wagen sind.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Ansonsten ist aus Hildesheim nichts Sensationelles zur berichten.
Reinhard Mawick