Der dürre Hirte

Doomsday-Core
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Düstere Romantik in modrig dunklen Brauntönen, mit Schlieren von fast schwarzem Grün und durchschimmerndem hellen Ocker oder auch Gelb. Rilkes Panther in einem Käfig, dessen Stäbe bibelschwarze Patina haben.

"Schöner Wohnen" ging mit David Eugene Edwards (kurz: DEE) noch nie. Schon bei seiner Band "16 Horsepower" war er mit Gerichtstagsbotschaften unterwegs, die er unmittelbar aus der Bibel bezog. Vielleicht kein Wunder, zog doch der in einer strengen Heiligungsgemeinde der "Church of the Nazarene" Aufgewachsene aus Denver/Colorado als Kind mit einem eifernden Großvater über Land, dessen Umkehransprachen deftig nach Feuer und Schwefel rochen. dee jedenfalls macht in bibelschwarzem Doomsday- & Salvation-Core, dessen Färbung an die Southern Gothic-Literatur von William Faulkner oder Flannery O'Connor erinnert und in Musikgazetten gern mal "Gothic Country" genannt wurde. Musik mit Elementen aus Folk, Bluegrass und Alternative Rock.

Das von DEE gespielte Banjo trägt auch zur archaischen Stimmung seiner aktuellen Band "Wovenhand" bei. Assoziationen an John Boormans US-Wildnisfilm "Deliverance/Beim Sterben ist jeder der Erste" sind gewollt. Darin treffen Städter bei Canyoning, Rumballern, Zoten und Whisky auf Hinterwäldler, die es schlicht und einfach böse meinen und einen Idioten dabei haben, der Banjo spielt. Das neue "Wovenhand"-Album "Refractory Obdurate" (etwa "Der halsstarrig Verstockte") setzt nun andere Akzente, ist härter, direkter, die Gitarre zwischen Punk und Metal. Manches erinnert an den frühen Sound der apokalypsierenden Gitarren-Darkwaver "Sisters of Mercy". DEEs sehnsuchtsvolle Stimme ist weit nach hinten gemischt, mit Hall und Megaphonverfremdung. Bass und Schlagzeug dominieren, gefühlte Tonnen schwer.

Düstere Romantik in modrig dunklen Brauntönen, mit Schlieren von fast schwarzem Grün und durchschimmerndem hellen Ocker oder auch Gelb. Rilkes Panther in einem Käfig, dessen Stäbe bibelschwarze Patina haben. DEE ist jedoch kein Prediger, er fordert trotz religiöser Textur und Titeln wie "Good Shepherd" keine Bekehrung. Er ist eher ein Maler. Er steht für Verlorenheiten und das Echo, das sie auslösen. Für das Bemühen, trotzdem aufrecht seinen Weg zu gehen. Ein dürrer Hirte, sehnig, noch nicht alt, abgehärmt, einsam, wettergegerbt, bereit für die Herde zu kämpfen, wenn der Jäger kommt. Eine Gestalt wie aus der Western-Trilogie von Cormac Mc Carthy, der auch "No Country For Old Men - Kein Land für alte Männer" und "Die Straße" schrieb. Eine Gestalt, der das raue Leben erbarmungslos die verspielten Flausen der Jugend schon früh austrieb. Der vielleicht verlieren wird, aber bis zum Ende Hirte bleibt. Eine politisch also eher inkorrekte Männergestalt, über die zugleich der Zeitgeist lacht. Der Sound ist metallisch und nah am Gewitter oder schon mittendrin. Ungeschützt, aber ohne Klage. Ein wandernder Antiheld mit alttestamentlichen Zügen, aus dessen Mund sogar der Psalm vom Guten Hirten eher wie ein Epitaph und wenig beruhigend klingt. Äußerst spannend.

Wovenhand: Refractory Obdurate Glitterhouse/Indigo 2014

Udo Feist

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