Roboter in den Pflegedienst!
Der Welt-Alzheimer-Bericht 2013 prognostiziert es: In vierzig Jahren wird es weltweit mehr als 115 Millionen Demenzkranke und mehr als 277 Millionen pflegebedürftige Menschen geben. Das sind dreimal so viele wie heute. Dementsprechend steigt auch der Bedarf an qualifizierten Pflegekräften - sei es in Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Immer weniger Berufsanfänger entscheiden sich allerdings für den Pflegeberuf. Viele von ihnen scheiden aufgrund der hohen körperlichen und psychischen Anforderungen frühzeitig aus dem Beruf aus. Durchschnittlich 25 Krankheitstage im Jahr und häufige Arbeitsunterbrechungen spiegeln diese hohe Belastung. Gleichzeitig verbringen Ärzte und Pfleger bis zu 40 Prozent ihres beruflichen Alltags mit Verwaltungsaufgaben. Der daraus resultierende Fachkräftemangel macht sich heute bereits bemerkbar: Pflegekräfte arbeiten am Limit. Für eine ausführliche Interaktion mit Patienten und Pflegebedürftigen fehlt häufig die Zeit.
In den Medien ist in diesem Zusammenhang immer häufiger von "Pflegerobotern" die Rede. Roboter? Geprägt durch das Bild der Robotik aus Film und Fernsehen löst dieser Begriff im ersten Moment erschreckende Vorstellungen aus: Technische Wesen ersetzen freundliche Pflegekräfte, bestimmen unser Leben und sagen uns, was wir zu tun haben? Glücklicherweise handelt es sich hier nur um eines: Science-Fiction. Ziel aktueller Forschungsarbeiten ist es keinesfalls, selbständig agierende Roboter in der Pflege am Menschen einzusetzen. Das ist auch nicht möglich. Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen sind ein wesentlicher Bestandteil der Pflege, das können und werden Roboter nie leisten. Doch was genau bringen uns Roboter dann in der Pflege?
Körperliche Entlastung
Roboter können Pflegekräfte bei körperlich anstrengenden Aufgaben entlasten, die im Grunde nichts mit der Pflege selbst zu tun haben. Während Transportroboter Wäsche oder Essen transportieren, bleibt der Pflegekraft mehr Zeit am Patientenbett. Im Rahmen aktueller Forschungsarbeiten wurde das Konzept eines Pflegewagens erarbeitet, der den Pflegekräften automatisch notwendige Pflegeutensilien bereitstellt, deren Verbrauch dokumentiert und der selbstständig nachfüllt. In unterbesetzten Kliniken oder Pflegeeinrichtungen können Roboter zudem nachts durch die Gänge fahren und kontrollieren, ob alles in Ordnung ist. Wenn sie einem herumirrenden Patienten begegnen, benachrichtigen sie das Personal.
Ein weiteres wichtiges Thema ist das Heben und Bewegen von Patienten, was bei Pflegenden früh zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Aus diesem Grund beschäftigen sich Wissenschaftler heute damit, Patientenlifter mit zusätzlichen Assistenzfunktionen auszustatten. Der Lifter fährt zum Beispiel selbstständig zum Einsatzort und erleichtert den Pflegekräften die Patientenaufnahme mithilfe verschiedener Sensoren. Wie in allen Einsatzbereichen hat der Roboter auch hier ausschließlich eine unterstützende Funktion. Denn ob der Patient richtig liegt oder Schmerzen empfindet, kann nur der Pfleger einschätzen.
Direkte Interaktion
Auch eine direkte Interaktion mit den Bewohnern ist in eingeschränktem Maße möglich. So ist zum Beispiel das regelmäßige Anbieten von Getränken in stationären Pflegeeinrichtungen besonders wichtig, um eine Dehydration der Bewohner zu vermeiden. Diese Tätigkeit ist für die Pflegekräfte jedoch auch sehr zeitaufwendig. Autonome Roboter können dabei Unterstützung bieten. Sie können einzelne Bewohner identifizieren, gezielt diejenigen Personen, die noch nicht ausreichend getrunken haben, ansprechen und ihnen ein Getränk anbieten.
Serviceroboter in der Pflege sind eine Möglichkeit, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken und den Pflegeberuf aufzuwerten. Es geht nicht darum, Pflegekräfte zu ersetzen, sondern sie anhand von modernen, technischen Pflegehilfsmitteln zu unterstützen und zu entlasten. Dabei handelt es sich um Geräte, die vom Menschen gesteuert und eingesetzt werden.
Roboter sollen weder tatsächliche Pflegetätigkeiten am Menschen durchführen noch selbständig Entscheidungen treffen. Der Begriff "Pflegeroboter" ist in diesem Zusammenhang also eher irreführend. Im Sinne einer realistischen Betrachtung sollte eher von Assistenzsystemen oder Servicerobotern gesprochen werden. Und in Zeiten von Fachkräftemangel im Pflegebereich ist es besonders wichtig, über technische Hilfen nachzudenken, damit die unersetzliche Ressource Mensch dort ankommt, wo sie gebraucht wird: Nicht beim Entsorgen von Wäsche, sondern in der sozialen Beziehung von Mensch zu Mensch.
Dr.-Ing. Birgit Graf ist Leiterin der Gruppe Haushalts- und Assistenzrobotik am Fraunhofer IPA.
Birgit Graf