Seit gut dreißig Jahren hat sich die "Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle" (CIBEDO) einen Namen gemacht. Sie soll im Auftrag der katholischen Bischofskonferenz das Miteinander von Christen und Muslimen fördern. Geschäftsführer Timo Güzelmansur hat den ersten Band einer neuen Schriftenreihe herausgegeben, die aktuelle Dialogthemen für ein breites Publikum aufbereiten soll. Ob Jesus Muhammad angekündigt hat, ist in der Tat ein thematischer Paukenschlag, der kaum provozierender ausfallen könnte. Man hat im jüdisch-christlichen Dialog analog gefragt: Hat Johannes der Täufer Jesus angekündigt? Aus der Sicht historisch-kritischer Exegese muss man beide Fragen mit einem klaren Nein beantworten. Der Täufer war ebenso wenig ein Zeuge für Jesus wie dieser ein Zeuge für Muhammad war. Doch liegt es in der Natur der Sache, dass die jeweils spätere Religion die Frage gerne positiv beantworten möchte.
So kommen wir zu der bekannten Beobachtung: Wie die Evangelien den Täufer christlich vereinnahmt haben, so hat der Koran und mehr noch die spätere Koranauslegung Jesus islamisch vereinnahmt. Der Buchtitel zielt auf den dritten der fünf Parakletsprüche bei Johannes: "Wenn aber der Beistand kommt, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen." Mit der schwierigen, weil rezeptionsoffenen Interpretation der Worte des johanneischen Christus befasst sich diese Publikation vor allem. Sie besteht zu einem sehr großen Teil aus der Paraklet-Studie des Neutestamentlers Michael Theobald, die theologisch Kundigen verständlich ist, doch kaum für ein breites Publikum geeignet erscheint, wie allein die fast 350 Anmerkungen zeigen. Theobald zufolge hat der historische Jesus nicht vom Parakleten gesprochen. Für die ersten jüdischen Christen war der erhöhte Jesus selbst der erste Paraklet, der als Beistand vor Gott für die Seinen fungierte. Aus diesem christologischen Hoheitstitel wurde im Johannesevangelium ein Titel für den "Geist der Wahrheit", den zweiten Parakleten, der so unverfügbar blieb, dass er eigentlich "keine Identifizierung mit einer Figur der Geschichte erlaubte". Lange vor Muhammad haben bereits zwei Charismatiker, Montanus und Mani, den Anspruch erhoben, der von Christus verheißene Paraklet zu sein. Angesichts der zu langen Studie nehmen sich die drei ersten Beiträge wie bloße Prolegomena aus. Unter ihnen ist der einzige Beitrag hervorzuheben, der sich direkt und durchweg mit der eigentlichen Fragestellung des Buches befasst: "Ahmad, Muhammad und der Paraklet in der islamischen Exegese von Sure 61:6". Autor ist der Orientalist Heribert Busse, der einzige Nichttheologe des Bandes. Seines Beitrags wegen lohnt sich denn doch die Lektüre dieses Buches. In Sure 61,6 sagt Jesus: "O Kinder Israels, ich bin der Gesandte Gottes an euch, um zu bestätigen, was von der Tora vor mir vorhanden war und einen Gesandten zu verkünden, der nach mir kommt, ismuh? ahmad." Man kann die letzten beiden Worte entweder wiedergeben mit "dessen Name hoch zu loben ist". Dann bleibt die Identität des Angekündigten offen. Oder man versteht ahmad als Eigenname für Muhammad, wie die Muslime es seit jeher tun, und übersetzt: "dessen Name Ahmad ist". So wird Jesus in der Tat zum Vorläufer Muhammads gemacht. Schade, dass für das Buch kein muslimischer Autor vorgesehen war. Dann hätte dieser Band auch ein direkter Beitrag zum Dialog mit Muslimen werden können.
Timo Güzelmansur (Hg.): Hat Jesus Muhammad angekündigt? Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2012, 216 Seiten, Euro 22,-.
Martin Bauschke
Martin Bauschke
Martin Bauschke ist Theologe und Religionswissenschaftler. Er wohnt in Berlin.