Unbekanntes Land

Frederik Köster Quartett: "Momentaufnahme"
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Beruhigung und Bewegung, Sammlung - oder doch ein Ausflug ins Unbekannte? So beginnen Reisen. Die "Momentaufnahme" des Köster-Quartetts ist für Kenner ebenso empfehlenswert wie für Pop- oder Rock-Sozialisierte mit Interesse an Neuland.

Zehn der knapp sechzig Minuten des Albums sind "Gebet" - "Prayer", wie das letzte Stück einer vierteiligen Suite heißt, die umgeben von "Pro- und Epilogue" den Korpus der Momentaufnahme bildet. Über einen einläutenden Glockenklang von Tobias Hoffmanns E-Gitarre, die dann in Tupfer mäandert, spielt Quartett-Leader Frederik Köster eine lyrische, intensive Trompetenmelodie. Ralf Gessler (Drums) rührt das Becken mit Schlegel zu anschwellender Weite, am Bass setzt Robert Landfermann zunächst verhalten, dann tänzelnd erste Schritte in diese Landschaft, die das Kollektiv exquisiter Instrumentalisten mit intimer Dynamik durchmessen wird.

Der Blick geht nach innen oder wer weiß wohin, eine stilles, dabei doch pralles Szenario. Köster spielt mit dem Dämpfer, röhrt dann fast und führt immer wieder zur Melodie zurück. Beruhigung und Bewegung, Sammlung - oder doch ein Ausflug ins Unbekannte? So beginnen Reisen. Stimmig dicht jedenfalls, trotz der meditativen Färbung voller Überraschungen. Heftig dagegen ist der Suite-Beginn "3x211". Die Melodie entwickelt Köster, von dem auch alle Kompositionen und Arrangements stam­men, aus dem dritten Modus von Messiaens Kompositionslehre. Eindringlich, erst gelassen, dann schmetternd, fordernd. Bass und Schlagzeug rollen entspannt, aber auch sie nehmen kräftig Fahrt auf.

Immer für ein Ereignis gut

Hoffmann schrammt Akkorde, kippt ins Weltraumhafte und lässt die E-Gitarre fast schon im Rockhabitus von der Kette. Plötzlich ist Kösters Trompete wieder da, Rhythmusgruppe und Gitarre feuern im Shout-and-Response-Modus - und nun wird auch Genrefernen klar: Jazz ist immer für ein Ereignis gut, wobei man da mit dem Frederik Köster Quartett in besten Händen ist. Mit großer Selbstverständlichkeit fügen sie alle Phasen schwarzer Musik, Kirchenmusikzitate und Rockgesten zueinander, harmonieren, reiben sich, schichten, verschmelzen, haben Luft, Atem, Neugier, vor Fusion nie Angst - und immer wieder Zeit.

Eine Kategorie, auf die sich das 2003 gegründete Quartett häufig bezieht, zuletzt mit dem preisgekrönten Album Zeichen der Zeit (2009). Momentaufnahme ist im Vergleich dazu verhaltener, weniger forsch, in seinen vielen Soundfacetten und Eroberungsgelüsten aber gleich groß. "Dass wir jeden Tag anders klingen, ist klar", sagt Köster, "das ist ja: Jazz ..." Für Kenner ebenso empfehlenswert wie für Pop- oder Rock-Sozialisierte mit Interesse an Neuland. Nebenbei bemerkt: Man glaubt es kaum, Jazz war früher mal Pop - weshalb sich Adorno ja auch so aufregte. Das Frederik Köster Quartett lässt hoffen, dass er es wieder wird.

Frederik Köster ­Quartett - ­Moment­aufnahme.

Traumton/Indigo 2011.

Udo Feist

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