Wegmarken

Texte über Ulrich Schacht

"Wer nicht begreift, dass Schacht in einer sogenannten progressiven Zeit ein Konservativer, in einer Massenkultur ein großer Einsamer, in einer säkularen Welt ein Religiöser war, kann seine Bedeutung nicht ermessen,“ hieß es in dem Gedenkartikel „In memoriam Ulrich Schacht“ 2018 in der Evangelischen Kirchen­zeitung Der Sonntag. Der Theologe und EKD-Kulturbeauftragte Johann Hinrich Claussen schrieb nach Schachts Tod in chrismon, dass dieser einer der ganz wenigen dezidiert protestantischen Schriftsteller der Gegenwart gewesen sei.

Er war auch ein Dichter, der immer wieder durch seine literarische Wandelbarkeit überraschte. So ist es sehr erfreulich, dass ein Buch erschienen ist, in dem Freunde, Weggefährten und Zeitgenossen der Leserschaft Ulrich Schacht sehr nahebringen. Die Schriftstellerin Sigrid Damm liest seine Verse beglückt wieder und wieder. „Und wie es dem Leser ergeht, überträgt es sich auf mich die Leserin, mein Herz ergeht sich in Ovationen“, schreibt sie.

Axel Große, Ordenskanzler des Evangelischen Augustinerklosters Erfurt, wurde ihm Freund im besten Sinne des Wortes. Er vergleicht Ulrich Schacht mit dem russisch-amerikanischen Dichter und Nobelpreisträger Joseph Brodsky. Beide wurden aus politischen Gründen von den kommunistischen Regierungen ihres Landes zu Haft und Straflager verurteilt. „Zwei Lyriker und Schriftsteller, die ihre Scherben immer wieder einsammeln und zu großartigen lyrischen Formen verarbeiten“, meint Große. Wie so etwas gehen kann, beschreibt Brodsky so: Lyrik gebe uns die einzige Möglichkeit, dem Druck der Existenz auszuhalten. „Ganz auf dieser Lebenslinie läuft Ulrich Schacht“, schreibt Große.

Die reichhaltige Sammlung von Texten über Schacht verdeutlicht sehr gut seine Vielseitigkeit. Ihn kann man nicht in ein Schema pressen. Er war nicht nur ein Dichter der leisen, sensiblen Töne, die er mit wunderbaren Wortmelodien auf die Seiten seiner Lyrikbände projizierte. Er war auch ein Wahrheitsfanatiker, der die fadenscheinigen Lügen der Herrschenden in Ost und West erbarmungslos und mit analytischer Sprachkraft aufdeckte.

Der Historiker Erik Lommatzsch, der uns den politisch handelnden Bürger Schacht nahebringt, versteht es, überzeugend zu formulieren. Er berichtete, dass Schacht getreu seines Credos nicht nur seine Bücher zu bewerben wusste, sondern auch mit tiefem Bassbariton tönen, ja brüllen konnte „Kultur ist Differenz“.

Am Schluss des Buches wird die Frage gestellt, was von Ulrich Schacht bleibe. Dies wird großartig und für den Leser nachvollziehbar von Professor Harald Seubert beantwortet. Ulrich Schacht war sehr engagiert in der Suche nach Wahrheit, der wie ein Don Quijote gegen die Idole und Lügen der Zeit anrannte. Dass Schacht alle Steine des Anstoßes, was auch immer geschehen mag, stets neu wie Sisyphus den Berg hinaufschob, ist tief in seinem Wesen begründet. „Wir sollten uns Schacht als einen glücklichen Sisyphus vorstellen“, so der Schlusssatz des Buches. Die Kirche blieb für Schacht immer Heimat. Als er zuletzt in Schweden wohnte, waren die Kirchen in Deutschland an erster Stelle, die ihn immer zu Lesungen einluden. Er ist einer von uns geblieben.


 

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