Anregend

Entstehung der Bibel

Die Entstehung der biblischen Texte zu beschreiben scheint mit jedem Jahrzehnt schwieriger zu werden. Einfache Modelle, wie sie in früheren Jahren besonders im Bereich des Alten Testaments gelehrt wurden, sind durch komplizierte und in Einzelfragen teilweise sehr unterschiedliche Entwürfe ersetzt worden. Für studierte Theologinnen und Theologen, geschweige denn für interessierte Fachfremde, sind sie oft kaum zu überblicken.

Dem Alttestamentler Konrad Schmid (Zürich) und dem Neutestamentler Jens Schröter (Berlin) gelingt es nun, die verschlungenen Wege der Entstehung der Bibel übersichtlich und zugleich differenziert darzustellen. Eine umfangreiche Einleitung führt in die Begrifflichkeiten und Phänomene der Bibelwissenschaft ein und ermöglicht einen leicht verständlichen Zugang zu aktuellen Fragestellungen. Es folgen drei Kapitel zur Entstehung der alttestamentlichen Schriften, wobei auch eine Einordnung in die historische Situation und die theologiegeschichtlichen Themen geboten wird. Gleichsam im Zentrum des Buches wird die Frage nach dem Schriftverständnis Jesu und der ersten Gemeinden verhandelt. Hieran schließen sich zwei Kapitel zu den christlichen Texten sowie zur Formierung der jüdischen Schriftensammlung an. Die Autoren blicken bei ihrem Durchgang erfreulicherweise über den biblischen Tellerrand hinaus und beziehen auch frühjüdische und frühchristliche Schriften mit ein, wie zum Beispiel das Jubiläenbuch oder auch das Thomasevangelium. Am Ende steht ein kurzer Ausblick auf mögliche Zugangsweisen zur Bibel sowie zu ihrer Rezeption in der Kunst. Das Werk beschließen Anmerkungen zu den Kapiteln, ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie diverse Register.

Das Buch orientiert sich nicht an der Abfolge der biblischen Schriften, sondern verfolgt den Weg von den ältesten bis zu den jüngsten Texten und Textkomplexen. Am Beginn findet sich so zum Beispiel nicht die Schöpfungsgeschichte, sondern die Anfänge der Jakobserzählung. Aus historischer Perspektive ist dieses Vorgehen stimmig, auf Seiten der Leserinnen und Leser des Buches ist dies aber ohne ein profundes, bibelkundliches Wissen nicht immer leicht nachzuvollziehen. Auch werden häufig Fachbegriffe vorausgesetzt, weswegen ein Glossar gerade für interessierte Nicht-Theologen hilfreich gewesen wäre. Um die Übersichtlichkeit nicht zu gefährden, wurde auf eine weiterführende Diskussion einzelner Thesen verzichtet. Dies lässt zwar hin und wieder den Eindruck entstehen, die vorgestellte Textentstehung wäre in der Forschung unhinterfragt, jedoch bewahrt es die Leserinnen und Leser auch davor, sich in den unübersichtlichen Diskussionen zu verlieren.

Relativ viel Raum wird dem Verhältnis von Altem und Neuem Testament eingeräumt, was ohne jede implizite Wertung dargelegt wird. Viel eher gehen die Verfasser (und das ist nicht selbstverständlich!) sehr sensibel mit dem Thema um. Sie betonen besonders die Verwurzelung sowohl Jesu als auch der frühchristlichen Texte in den alttestamentlichen Schriften. Überaus leserfreundlich sind sodann auch die zahlreichen Bibelzitate, die es ermöglichen, die Argumentation direkt nachzuvollziehen, sowie eine Reihe von Abbildungen unter anderen von archäologischen Funden und Texthandschriften.

Insgesamt handelt es sich um ein anregendes Buch, das auch für Nicht-Theologinnen und -Theologen, besonders aber für Pfarrerinnen und Religionslehrer zu empfehlen ist, die Lust haben, ihr im Studium gelerntes Wissen zu aktualisieren und in die gegenwärtige bibelwissenschaftliche Diskussion einzusteigen.

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Foto: Thomas Kretschel

Judith Filitz

Judith Filitz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der theologischen Fakultät der Universität Leipzig.


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