Fachkundig

Bodenoffensive ohne Verluste

Der Mensch, so die Expertise der Wissenschaft, ist verantwortlich für drei existenzbedrohende Krisen: das Artensterben, den Klimawandel sowie die Bodendegradation. Während die globale Erwärmung und ihre Folgen längst Thema heftiger Debatten sind, sorgt das dramatische Artensterben allenfalls sporadisch für Schlagzeilen. Noch seltener sind Berichte zur Bodendegradation – der Verschlechterung von Ökosystemdienstleistungen des Bodens. Benedikt Bösel reagiert darauf mit einer beherzten Bodenoffensive ohne Verluste. Sein Buch dokumentiert eine bewundernswerte Erfolgsgeschichte, also einen lokalen Durchbruch in Richtung Nachhaltigkeit.

Die genannten Krisen sind naturgemäß jeweils miteinander verbunden. Aber nirgendwo treffen die drei Problemlagen so massiv aufeinander wie in der Landwirtschaft. Der Landbau, so Bösels überzeugende These, bietet daher auch beste Chancen zur Problemlösung. Anhand des eigenen Betriebs will Bösel nachweisen: Geschundene Böden können gesunden, ökologische Wüsten wiederbelebt werden.

Zur Problemlage: Falls wir die Erde weiterhin in ein Treibhaus verwandeln, werden alsbald große Gebiete für den Menschen unbewohnbar sein. Die größere Katastrophe jedoch ist das Verschwinden der Arten, durch direkte Ausrottung oder Lebensraumzerstörung. Pro Tag gehen derzeit bis zu 130 Arten unwiederbringlich verloren. Solch ein Massensterben gab es zuletzt vor 65 Millionen Jahren.

In der Tat, wir tun offenbar nahezu alles, damit der Boden, von dem wir leben, uns so schnell als irgend möglich quasi unter den Füßen hinweggezogen wird: Fortgesetzte Abholzung, Brandrodung und Überweidung sowie versiegelnde Bebauung zerstören die natürliche Vegetationsdecke. Ohne Bewuchs ist Erosion – der irreversible Abtrag des Bodens durch Wind und Regenwasser – jedoch kaum vermeidbar. Hoch problematisch ist zudem die Intensivierung der Landwirtschaft. Denn der Anbau von Monokulturen ist zumeist von exzessiver Nutzung anorganischer Düngemittel sowie der Ausbringung von Pestiziden begleitet. Fahrlässige Bewässerungsmethoden führen zur Bodenversalzung, und der Einsatz schwerer Maschinen zerstört durch massive Verdichtung die Bodenstruktur. Was dann noch an Bodenleben übrig bleibt, leidet unter der allgemeinen Verschmutzung durch industrielle und häusliche Abfälle und Gifte.

Bösel, Jahrgang 1984, studierte Business Finance in Großbritannien sowie Agrar­ökonomik in Berlin. Nach zehn Jahren Tätigkeit in der Finanzindustrie übernahm er das elterliche Gut: 3 000 Hektar Land und Forst in Brandenburg. Sandige und ausgetrocknete Fluren, die auf den ersten Blick weder zur konventionellen noch zur alternativen Landwirtschaft einladen. Gemeinsam mit einem begeisterungsfähigen Team baut Bösel den Betrieb systematisch zu einer regenerativen Landwirtschaft um. In nur fünf Jahren gelingt es, zerstörte Nährstoffkreisläufe wieder zu schließen, um besser gegen Extremwetterereignisse und Ernteausfälle gewappnet zu sein. Zudem zeigt sich, dass die Umgestaltung der Bodennutzung das Mikroklima günstig zu beeinflussen vermag. Nach und nach wandelt sich der Boden in ein funktionsfähiges Ökosystem – selbst die lang vermisste Artenvielfalt stellt sich wieder ein.

Das mit zahlreichen Illustrationen und Fotos aufwendig gestaltete Buch ermuntert zum Nachdenken – und vor allem zum Nachmachen. Angetrieben von der eigenen Leidenschaft für die Schönheit und Kraft der Natur, erklärt Bösel ebenso fachkundig wie erfrischend unterhaltsam die Bedeutung des Bodens und der Landwirtschaft für unser Leben. Dieser inspirierende Masterplan für ein nachhaltigeres Leben ist Krisenbewältigung pur. Bösel fordert nicht nur eine Allianz von Mensch und Natur, er praktiziert sie. Und zwar in einem nachahmenswerten Akt der Rebellion, der dem Pessimismus des Verstandes den Optimismus der Tat entgegensetzt.

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