Es sei nicht so schwer, in jungen Jahren ein guter Pastor oder eine gute Pastorin zu sein, aber es sei schwer, es bis zum Erreichen der Pensionsgrenze zu bleiben, meint Horst Gorski, langjähriger Pastor und Propst, der in diesen Tagen als EKD-Vizepräsident und Amtsleiter der VELKD in den Ruhestand tritt.
Neulich blickte ich mit einem gleichaltrigen befreundeten Kollegen zurück: Als wir Mitte der 1980er-Jahre in den Pfarrdienst traten, ging eine Kollegengeneration in den Ruhestand, mit der wir uns nichts zu sagen hatten. Sie sprachen von Kriegs- und Nachkriegszeiten, waren verschlossen und – so schien es uns – einfach seltsam. Wir fragten uns nun, ob die heute junge Generation uns wohl auch so erlebt. Wir waren uns einig: Nein, wir sind anders als die alten Kollegen damals. Nun lese ich den Beitrag von Angela Rinn und denke: Also doch nicht? Wie hat uns das Berufsleben verändert? Wie gesprächsfähig sind wir mit den nachfolgenden Generationen?
Im Rückblick auf mein eigenes Berufsleben und in der Begleitung vieler Kolleginnen und Kollegen weiß ich: Es ist wohl nicht so schwer, in jungen Jahren ein guter Pastor, eine gute Pastorin zu sein; aber es ist sehr schwer, dies bis zum Ende durchzuhalten. Manche werden krank, und viele werden, um nicht krank zu werden, skurril. Die eigenen Merkwürdigkeiten dienen als Schutzmauer. Manche allerdings bleiben wach, präsent, kommunikationsoffen. Warum ist das so schwer? Das dürfte nicht monokausal sein. Aber unser Beruf erfordert ein hohes Maß an Selbststeuerung. Es ist wenig Struktur vorgegeben. Die zahlreichen Beziehungen müssen gestaltet werden. Dazu soll nicht nur das Handwerkszeug stimmen, sondern auch der eigene Glaube tragen.
Besonders die Kolleginnen und Kollegen in den Gemeindepfarrämtern laufen Gefahr, mit den Jahren nicht mehr auf ihr professionelles Können zu setzen, sondern mit ihrer Feldkenntnis zu überleben. Das kann zur Gefangenschaft werden. Die Gefangenschaft in der eigenen Wunderlichkeit schränkt die Gesprächsfähigkeit auf wenige Themen ein. Dann wird ein Stellenwechsel unvorstellbar. Dabei ist für viele nach meiner Erfahrung ein Wechsel Ende 50 ein Segen. Neue Aufgaben, neue Leute, wieder Zutrauen zum eigenen Handwerk. Das kann inspirieren.
Allerdings: Wir brauchen alternsgerechte Arbeitsplätze. Auch wenn mancher noch mit 65 gerne Jugendfreizeiten durchführt, so ist dies doch lange nicht jedem gegeben. Es braucht Arbeitsplätze, auf denen man gut älter werden kann; hier und da braucht es auch Begleitungsangebote.
Anderer Blick gefragt
Ich spreche aus einer absolut privilegierten Situation, das weiß ich. Ich hatte das Glück, mit 58 auf eine Stelle bei der EKD und der VELKD zu kommen, die nicht besser zu mir hätte passen können. Man kann aber auch umgekehrt sagen: Gerade angesichts dieser glücklichen Situation ist es vielleicht besonders glaubwürdig, wenn ich beschreibe, welche Herausforderung es war, bis zum Ende gut durchzuhalten. Ob ich skurril geworden bin, müssen andere sagen. Mit den folgenden Generationen bin ich im Gespräch. Ich weiß aber sehr gut: Bei der Lösung der Zukunftsaufgaben kann ich ihnen wenig helfen. Da ist ihr anderer Blick gefragt.
Ich habe an mir beobachtet, wie ich älter wurde, körperliche Gebrechen sich einstellten und, dies das Eigenartigste, wie meine Seele sich veränderte. Das mag theoretisch bekannt sein und ist bestimmt sogar schon gut erforscht. Das eigene Erleben ist etwas anderes. Und was sich eben gar nicht von selbst versteht: Dass sich diese Veränderungen zeitlich mit den Gegebenheiten des Arbeitsplatzes und dem Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand synchronisieren. Dies ist vielmehr eine anspruchsvolle Aufgabe der Selbststeuerung. Zum Beispiel wurde das mir gemäße Tempo schon längst langsamer, während bis zum letzten Arbeitstag das Tempo des Arbeitsplatzes zu bedienen war. Mich haben auch manche Alltagsdinge einfach nicht mehr interessiert, wiewohl ich weiß, dass sie zum Leben dazugehören. Ich brauchte Selbstdisziplin, um die zeitliche Synchronisierung zu leisten, viel Selbstdisziplin.
An Angela Rinn gewandt: Zu den Dementoren gehöre ich hoffentlich nicht. Lieber sehe ich mich als einer der freundlichen Vorfahren, die in Hogwarts in Bilderrahmen an den Wänden hängen und die sich – dies das Wunder – noch bewegen!
Horst Gorski
Dr. Horst Gorski ist Theologe und war unter anderem von 2015 bis Juli 2023 theologischer Vizepräsident der EKD und Leiter des Amtsbereiches der VELKD in Hannover.