Geistreich

Über eine Welt von gestern

Alexander Kluge, geboren 1932, zählt zu den seltenen kreativen Intellektuellen dieses Landes. Ein noch universell Gebildeter, der im Komplexen zuhause ist wie in einem Nähkästchen, dessen Stern mit der Einladung zur Gruppe 47 aufging, als die Welt noch eine andere war. Bis heute mischt er sich kritisch in politische Belange ein. Sein Buch "Unruhiger Garten der Seele" , das der Bayrische Rundfunk in der Regie von Karl Bruckmaier als Hörspiel herausgegeben hat, ist im Versuch des Durchschauens der Zeit indessen eher eine Umschau – eine Innenschau, eine Rückschau.

Alexander Kluge geht in Sequenzen tief in die eigene Biografie zurück, erinnert sich an die Eltern und ihren Einfluss auf sein Schreiben, die Schwester als sein Seelenglück, die Wichtigkeit der Mobilität seit 1949, seinen geliebten Citroën – das Gefühl des Verlustes mit der Abgabe des Führerscheins 2015. Die Phantasiemomente nehmen überhand, wo früher Tagträume beim Fahren nicht hinderlich waren. Über Habermas und Miller, dessen Ringen mit dem Alphabet, streift Kluge im assoziativen Dialog mit Helge Schneider durch die Geschichte. Er ankert bei Siegfried, dem uninteressanten, und Hagen, dem eigentlich prägenden, widerständigen Helden der Zeit (Hagen von Tronje, Albrecht von Hagen, Heiko-Maas-Mitarbeiter Fridolin von Hagen), womit es rasant ins Silicon-Valley-Troja geht, das nicht mit dem Schwert, sondern dem Ersatzgott durch Gleichgültigkeit tötende Mathematik bewaffnet ist.

Was bleibt von dieser Hörstunde? Das Gefühl, dass sich Kluges geistreich ironisches Unterfangen – perspektivisch wurzelnd in einer männergemachten Welt von Gestern – im Intellektuellen erschöpft – keine Bindung hat an das Hier und Jetzt und sich der Wirklichkeit entfremdet entzieht.

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