Halbe Apokalypse

Generalsynode der VELKD begann mit Gottesdienst und Bericht des Leitenden Bischofs
Über die rechte Art der apokalyptischen Denkens und Hoffens - Ralf Meister, Leitender Bischof der VELKD, am 4. November 2022 in Magdeburg.

Ein im besten Sinne erbaulicher Gottesdienst und ein differenziert-apokalyptischer Bericht des Leitenden Bischofs Ralf Meister prägten den Auftakt der 3. Tagung der Generalsynode der VELKD in Magdeburg.

Ja ist denn schon Weihnachten? Leicht irritiert betrachtet der Besucher des Eröffnungsgottesdienstes der 3. Tagung der 13. Generalsyode der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in der Petrikirche zu Magdeburg den Altarraum. Stehen da etwas Anfang November schon Christbäume? Nein, nein, klärt Martina Helmer-Pham Xuan auf, die Pröpstin aus Königslutter in der Braunschweigischen Landeskirche, die als Predigerin und Liturgin den Gottesdienst leitet. Hier werde am nächsten Tag eine Hubertus-Messe gefeiert. Ach so, na dann. Alle Befürchtungen über einen Traditionsabbruch in Magdeburg sind also übertrieben, obwohl Helmer-Pham Xuan anmerkte, dass es schon ungewohnt sei, in Nachbarschaft eines Hirschgeweihs zu predigen.

Irgendwann ist halt immer das erste Mal. So auch der Zeitpunkt des Gottesdienstes. Während es in der neueren Geschichte der Generalsynode bei den verbundenen Synodaltagungen seit 2009 immer Sitte war, am ersten Abend im Wechsel mit der UEK einen großen Festgottesdienst zu feiern, fand er diesmal als Auftakt zu Beginn statt. Früher wurde sich in den Gottesdiensten gerne überboten durch mitwirkende ökumenische Gäste, gerne farbenfroh gekleidet, aus allen Gegenden der Welt oder besonders intrikat-geistreiche Gestaltung. Da wurde  untergründig eine kleine Konkurrenz zwischen den beiden konfessionellen Bünden im Vorfeld der EKD-Synode ausgetragen. Diesmal ganz anders: Ein entspannter Wortgottesdienst mit schöner Orgelmusik und achtsamer Liturgie unter Einbeziehung einer sangesfreudigen Gemeinde, die den vierstimmigen Satz von Heinrich Schütz zu „Wohl denen die da wandeln“ in großen Teil einfach so kann, ganz ohne Noten.

Sehr gelungen und im besten Sinne das Herz ergreifend waren die „Gedanken zur Schriftlesung“, also die Predigt, der Pröpstin aus dem Braunschweigischen zu Jeremia 15, 15-21. Am Anfang konfrontierte Martina Helmer-Pham Xuan das Erschütternde dieser Tage (Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Klimakatastrophe) mit dem „warme(n) Licht des Herbstes mit so unendlich reicher Ernte“ und Kindheitserinnerungen vom Springen in große Laubhaufen, bis die Großmutter schimpfte. Und dann kam die Theologin zum Kern: Der Geschichte ihrer Großmutter, die unter schwierigsten Bedingungen am Beginn des 20.Jahrhunderts in der Ukraine aufwuchs, die als Sechsjährige, nachdem ihr Mutter gestorben war, zur Arbeit auf einen Bauernhof gegeben wurde und nach dem Zweiten Weltkrieg fliehen musste, um in Deutschland in Armut neu anzufangen.

Von Hoffnung nicht ablassen

Von dieser berührenden Geschichte zog sie Verbindungslinien zur Realität ukrainischer Mütter und Kinder, die heute nach Deutschland kommen und zu den Klagen des Propheten Jeremia, der aber dennoch nicht von der Hoffnung auf Errettung durch Gott ablässt: „Dein Wort ward meine Speise, sooft ich’s empfing, und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost“. Dies fasste die Predigerin so zusammen: „Worte sind nicht zum Greifen und doch halten wir uns daran fest. Worte werden aufgeschrieben, damit wir uns erinnern, sie nicht vergessen.“ Daraus zog sie am Ende den Schluss: „Das Leben geschieht nicht nur im Hier und Jetzt – es geschieht aus dem, was war und dem, was sein wird. (…) Wir alle tragen gemeinsam einen Wort- Lebens- Schatz – den es zu bewahren, zu hüten und ans Licht zu bringen gilt“.

Nach dieser im besten Sinne aufbauenden Stunde vor Gott wurde es apokalyptisch, denn der Leitende Bischof der VELKD, Hannovers Landesbischof Ralf Meister, rückte in seinem Bericht die Apokalypse ins Zentrum. Er bedauerte, dass der Begriff „Apokalypse“ im allgemeinen Verständnis „für einen nicht mehr aufzuhaltenden Untergang, für das unausweichliche Ende“ stehe. Das sei aber nur die halbe Wahrheit, denn eigentlich trage die Vorstellung Apokalypse – zu Deutsch: Offenbarung, Aufdeckung, Enthüllung“ – biblisch betrachtet keinesfalls nur Untergangsansage und -fantasie in sich, sondern „bei aller Endlichkeitsassoziation“ eben auch „einen klaren Haltungs- und Handlungsimpuls“. Der komme oft zu kurz und diese reine Katastrophen-Apokalypse sei keine gute Apokalypse.

Danach ging es vom großen Ganzen in die Praxis: Ob mit oder ohne christliche Hoffnung konnotiert, sähen viele die Welt „wenn nicht auf den Untergang, so doch auf extreme und bedrohliche Umwälzungen" zusteuern, so Meister. Er habe in den vergangenen Monaten mit jungen Menschen gesprochen, die im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 vor dem Reichstag in einen Hungerstreik getreten waren, um Aufmerksamkeit für die Klimakatastrophe und einen Dialog bzw. ein konkretes Handeln der Regierenden zu erreichen. Auch erwähnte er das Netzwerk „Letzte Generation“ und ließ offen, ob er für ihre Maßnahmen und Protestaktionen Verständnis habe. Aber die Gespräche seien sehr anregend und herausfordernd gewesen und er frage sich schon, so Meister, warum sich die Kirche so schwer tue, diesen Jüngeren „unsere moralische Unterstützung“ zu gewähren“, denn: „Was hindert uns?“ Als Beispiel erwähnte der Leitende Bischof die scheinbar unüberwindbare Schwierigkeit, ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen durchzusetzen und zitierte die Umweltaktivistin Luisa Neubauer: „Hoffnung ist harte Arbeit. Und mangelnde Hoffnung ist ein Grund zu handeln.“ Meister forderte abschließend ein, diesem „harten Weg der Hoffnung“ zusammen zu gestalten.

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