Wiederentdeckt

Weltreisende des 19. Jahrhunderts

Die erste Reise ging 1842 nach Jerusalem, ins Heilige Land, das war ein lange gehegter Traum der Wienerin Ida Pfeiffer. Dort verbrachte sie eine Nacht in der Grabeskirche und besuchte auf ihrer Pilgerreise alle biblischen Stätten. Ein ungewöhnliches Unterfangen für eine alleinreisende Dame des Biedermeiers. Aber gut geplant und vermarktet, denn der nach dieser Reise veröffentlichte Reisebericht wurde ein so großer Erfolg, dass sie weitere Exkursionen finanzieren konnte.

Sie war die erste Frau, die, nachdem ihre Kinder erwachsen waren, ab ihrem 44. Lebensjahr gleich mehrere Weltreisen unternahm. Ihr Portrait auf dem Buchcover zeigt eine gar biedere Zeitgenossin, und es ist schwer, in ihr die Person zu entdecken, die unerschrocken bis ins Innere Borneos vordrang, Kannibalen begrüßte, auf Maultieren nach Quito ritt, um am Palmsonntag an einer Prozession teilzunehmen, oder die einen Überfall im brasilianischen Urwald mit einem Sonnenschirm abwehrte.

Kurz nach den Boxerkriegen in China unterwegs, berichtete sie von den gebundenen Füßen der Chinesinnen, dass sie „so eckelig aussahen, daß einer andren Dame als mir, gewieß übel geworden wäre,“ in dem ihr eigenen, direkten Stil, der präzise ist, manchmal ironisch. Zur Anschauung brachte sie ein Paar der winzigen Schuhe mit. Wie sie überhaupt alles sammelte, was möglich war, von Pflanzen und Insekten bis hin zu Gebrauchsgegenständen der indigenen Völker.

240 000 km legte sie zurück, zur See, per Segel- oder Dampfschiff, oft unter widrigsten Umständen. Wochenlang lebte sie mit den Mannschaften, aß Salzfleisch, Erbsensuppe, Stockfisch, daher der Titel: Wir leben nach Matrosenweise.

Vier Kontinente durchquerte sie, wie es sich ergab: per Kutsche, mit dem Pferd oder zu Fuß. Ida Pfeiffer war eine gute Geschäftsfrau. Die im Buch veröffentlichte Korrespondenz belegt, dass sie beharrlich Verleger ansprach, geschickt Honorare aushandelte und 13 Bücher veröffentlichte, die in sieben Sprachen übersetzt wurden.

Die Schriften waren sowohl privat als auch öffentlich, da gab es stets Überlappung wie bei ihrem Zeitgenossen Fürst Pückler, der zuvor mit seinen Briefen große Erfolge feierte und Ida Pfeiffer anerkennend lobte. Auch Alexander von Humboldt schätzte sie als Gesprächspartnerin auf Augenhöhe. „Er war so erstaunt, dass er mehrmalen ausrief: ‚Sie haben Unglaubliches durchgesetzt‘“, freute sie sich. Und er setzte durch, dass sie nicht nur am kaiserlichen Hof eingeladen, sondern auch als erste Frau Mitglied in wissenschaftlichen Vereinigungen wegen ihrer Sammlungen wurde.

Nachdem sie auf ihrer letzten Reise an Malaria erkrankte, schrieb sie aus Mauritius: „Ich war schon zur Ausschiffung nach Australien bereit, als ich einen neuen Anfall bekam … ich will trachten, so schnell als möglich nach der Heimath zu gelangen.“ Sie schaffte es noch bis Wien und starb 1858 mit 61 Jahren an den Folgen der Krankheit. Erstaunlich ist, dass die in ganz Europa berühmte Autorin schon kurz nach ihrem Tod völlig in Vergessenheit geriet.

Die Herausgeberin Gabriele Habinger hat sich der Geschichte reisender Europäerinnen verschrieben und in diesem Jahr die zwei Jahre zuvor veröffentlichte Biografie Ida Pfeiffers neu herausgegeben. Die Briefe sind zeitlich eingeordnet, durch Zwischentexte und Pfeiffers handschriftliche Notizen erläutert. Man liest und staunt über das Durchhaltevermögen der Frau, die lebensbedrohliche Situationen oft lakonisch schildert, was erstaunlich modern wirkt. Die Andersartigkeit der damaligen Welt wird in ihren Briefen deutlich und führt vor Augen, was Reisen in ihrem Jahrhundert bedeutete: Mut, Geduld, Entbehrung und Entdeckung.

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