Recht auf Qualität

Wie unsere Gottesdienste wieder voller werden könnten
Foto: Jule Roehr

Ist der Sonntagsgottesdienst noch zeitgemäß? Oder sollte die Kirche dieses Ritual abschaffen? Letzteres, also die Abschaffung der Sonntagsgottesdienste, forderte kürzlich die Pfarrerin Hanna Jacobs und hat eine lebhafte und notwendige Debatte ausgelöst: Wenn die Gläubigen nicht zum Gottesdienst kommen, sind zuallererst die Gläubigen offensichtlich nicht mehr gläubig genug, der Zeitgeist hat sich gegen die Kirche verschworen, und die Demografie hat ihr Übriges getan. Wenn denn fast überhaupt niemand mehr kommt, können wir es mit dem Sonntagsgottesdienst doch einfach gleich ganz sein lassen. Immer unschuldig an der Misere der leeren Kirchbänke sind offensichtlich die Pfarrerinnen und Pfarrer in den Gemeinden.

Meine Erfahrungen sind andere: Wenn im Gottesdienst gut gepredigt wird, wenn Lieder gesungen werden, die von der Masse der Kirchenbesucher auch gesungen werden können, wenn verbindende Rituale wie das Abendmahl in jedem Gottesdienst angeboten werden, ist die Kirche am Sonntag voller. Wenn der Predigttext, kopiert von irgendeinem Internetportal, lustlos heruntergeleiert wird, wenn Lieder zum Singen ausgesucht werden, die zwar dem Pfarrer gefallen, aber besonders schwer zu singen sind, dann bleibt die Kirche leer. Die Menschen wollen ihre Zeit nicht verplempern, auch nicht im Gottesdienst und schon gar nicht mit uninspiriertem Pfarrpersonal. Ich finde, die Besucherinnen und Besucher unserer Gottesdienste haben ein Recht darauf, Qualität an­geboten zu bekommen!

Zielvereinbarungen festlegen

Im Kulturbereich, aus dem ich komme, haben wir auch immer wieder mit leeren Theatern, Konzertsälen und Opernhäuser zu kämpfen. Der von der Corona-Pandemie ausgelöste Publikumsschwund ist auch noch nicht überall gänzlich überwunden. Aber als Lösung wird bei uns nicht diskutiert, die Anzahl der Theateraufführungen, die Anzahl der Konzerte oder sonstiger Kulturveranstaltungen zu beschneiden. Wenn die Besucher nicht kommen, sind nicht sie daran schuld. Es kann natürlich eine bewusste Entscheidung sein, mit einer geringeren Aus­lastung leben zu wollen, weil zum Beispiel ein Theater ein Ort des künstlerischen Experimentes sein soll und nicht immer bei der Masse der Kulturinteressierten auf Interesse stößt. Das ist aber die Ausnahme, die Regel ist, dass eine Grundauslastung an Besuchern notwendig ist, um einen Kulturort erfolgreich zu bespielen. Wenn diese Auslastung dauerhaft nicht erreicht wird, wird nicht die Kultureinrichtung geschlossen, sondern der Vertrag der verantwortlichen Intendantin und des Intendanten wird nicht verlängert.

Warum werden von den Kirchleitungen keine eindeutigen Zielvereinbarungen mit den Gemeindepfarrerinnen und -pfarrern geschlossen, die auch eine durchschnittliche Auslastung der Gottesdienste beinhaltet? Natürlich müssen die Kirchen­leitungen vorher ihre Hausauf­gaben machen. Die Aufgaben, die in einer Zielvereinbarung festgelegt werden, müssen erreichbar sein. Besonders 
müssen die Orte der Glaubens­verkündigung der Anzahl der potenziellen Kirchenbesucher angepasst werden.

Aber, da bin ich mir sicher, viele werden überrascht sein, wie voll unsere Kirchen am Sonntagvormittag sind, wenn 
die angebotenen Gottesdienste mehr Qualität haben. 

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