Weibliche Kunst und feministische Avantgarde

Künstlerinnen des 16. bis 18. Jahrhunderts im Bucerius Kunst Forum Hamburg
Catarina van Hemessen (1528–1565): Selbstporträt an der Staffelei, 1548.
Foto: Bucerius-Kunst Forum
Catarina van Hemessen (1528–1565): Selbstporträt an der Staffelei, 1548.

Das Jahr 2023 gehörte im Bucerius Kunst Forum den Frauen – und das bleibt so bis in dieses Jahr hinein. Nach exzellenten Ausstellungen über die Malerin Gabriele Münter und die Fotografin Lee Miller heißt die jetzige Ausstellung „Geniale Frauen. Künstlerinnen und ihre Weggefährten. Der Werdegang herausragender Künstlerinnen vom 16. bis zum 18. Jahrhundert“. Erstmals wird der familiäre Kontext von Künstlerinnen thematisiert und in der Gegenüberstellung mit Werken ihrer Väter, Brüder, Ehemänner und Malerkollegen veranschaulicht.

Als Künstlerin zu leben, war Frauen in der Frühen Neuzeit nicht gänzlich versagt. Es war aber auch nicht vorgesehen und unterlag deshalb etlichen Herausforderungen. Für eine freie Berufsausübung war die Zugehörigkeit zu einer Zunft nötig. Diese war Frauen jedoch je nach Region verwehrt, in jedem Falle aber mit Kosten und hierarchischen Hürden versehen. Auffallend viele Künstlerinnen dieser Zeit stammten daher aus Künstlerfamilien oder heirateten in solche ein. Sie arbeiteten ihren Vätern, Brüdern und Ehemännern zu und waren meist im Verborgenen tätig. An Höfen herrschten andere Regeln: Dort konnten Frauen als Künstlerinnen tätig sein und wurden ernst genommen. Auch Künstlerinnen, die sich trotz gesellschaftlicher Vorurteile und akademischer Ausgrenzung durchgesetzt hatten, fielen auf und waren anerkannt – wie Anna Dorothea Therbusch oder Angelika Kauffmann. In der etablierten, männlich fokussierten Kunstwissenschaft gerieten ihre Leistungen jedoch weitestgehend in Vergessenheit.

Die gewohnt exzellent präsentierte Ausstellung orientiert sich bild- und nuancenreich vor allem an biografischen Anhaltspunkten: Töchter, Väter, Brüder – Bewusst ohne Ehemann – Karriere vor der Ehe – Malen mit Familie – Frauen und Druckgrafik – Künstlerinnen am Hof – Künstlerinnen in den Institutionen. Kluge Einführungen und weiterführende Essays über Künstlerinnen im deutschsprachigen Raum der Vormoderne, über Ausnahme-Karrieren und Erfolgsstrategien von Malerinnen im frühneuzeitlichen Kunstbetrieb beleuchten einen langen Weg weiblicher Leidensfähigkeit und Unbeirrbarkeit gegenüber patriarchaler Selbstüberhöhung und herablassender Ignoranz, die noch im 20. Jahrhundert unverblümt ihr Unwesen trieb.

Das Bucerius Kunst Forum stellt gut 30 Künstlerinnen in ihrem Kontext vor, die ausdrucksstarken Sofonisba Anguissola (um 1532–1625) und Judith Leyster (1609–1660) ebenso wie die imponierenden Anna Dorothea Therbusch (1721–1782) und Angelika Kauffmann (1741–1807). Subtil gezeichnete Porträts, sensibel austarierte Stillleben und Historien in Malerei, Zeichnung und Druckgrafik von der Renaissance bis zum beginnenden Klassizismus sind seit dem 14. Oktober 2023 bis zum 28. Januar 2024 in Hamburg zusammengeführt und werden im Anschluss vom 2. März bis 30. Juni 2024 im Kunstmuseum Basel gezeigt.

Spannend-schön

Wie eine Fortschreibung dieser gelungenen, farbenreichen Ausstellung liest sich Ferren Gipsons Veröffentlichung „Kunst von Frauen – vom weiblichen Kunsthandwerk zur feministischen Avantgarde“, das bei Prestel (München, London, New York, 2023) erschienen ist. Das Buch stellt 33 Künstlerinnen wie Rut Bryk (1916–1999), Eva Hesse (1936–1970) oder Otobong Nkanga (* 1974) und das Frauen-Kollektiv von Gee’s Bend (USA) vor, die allesamt im Bereich der Keramik, der Textilien und der sogenannten Soft Sculpture arbeiten. Es ist ein spannend-schönes, augenöffnendes Buch – wie ein Quilt, eine der Textilien, die Kunst und Kleidungsstück zugleich sind.

 

Weitere Informationen
Die Ausstellung ist bis 28. Januar in Hamburg zu sehen und vom 2. März bis 30. Juni 2024 im Kunstmuseum Basel. www.buceriuskunstforum.de

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