Zwei Prozent – aber so dual wie möglich

Wie eine deutsche Selbstverpflichtung im Rahmen der NATO aussehen könnte
Foto: Arne Sattler

Keine Frage: Der Einsatz von Milliarden und Abermilliarden zur Kriegsführung macht wütend, muss wütend machen. Was ließe sich damit nicht alles finanzieren! Und doch: Gegen einen Kriegstyrannen hilft kein gutes Zureden – und keine Armee ohne Ausrüstung. Also doch: Zeitenwende. Mehr Geld für die Bundeswehr. Womöglich sogar zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wie man es sich innerhalb der NATO versprochen hat. Dabei ist ein solches Ziel schwer zu begründen, denn es heißt Sicherheit nach Kassenlage. Wenn die Wirtschaft läuft und das BIP wächst, gibt es mehr Panzer, sinkt es, müssen die Soldaten weiter auf warme Wäsche warten. Rüstungsaufwand aber sollte sich an der Bedrohungslage, also am Bedarf orientieren, nicht an willkürlich gesetzten Zielgrößen.

Wie aber ist der Bedarf? Heute, morgen und nach Putin? Denn es wird ein Leben nach Putin geben. Es wird lange dauern, bis man Russland wieder über den Weg traut – so wie es lange – bis 1973 – dauerte, bis die beiden Deutschländer in die UNO aufgenommen wurden. In dieser Zeit werden die archaischen Formen der Konfliktaustragung eines Putin nur einen Teil der Bedrohungsszenarien ausmachen.

Klimastrategie fürs Militär

Mit der erstmals erarbeiteten Nationalen Sicherheitsstrategie sind weitere Bedrohungen ins Blickfeld geraten: Weltraum, Cyberspace und die ganz irdischen Probleme von Hungersnot bis Klimaschutz. Dass eine Sicherheitsstrategie heute nicht mehr bloß der territorialen Verteidigung dienen darf, sollte sich herumgesprochen haben. Und die Umsetzung fängt beim Militär selbst an. Als wohl erste Armee der Welt hat die US-Armee 2022 eine Klima-Strategie veröffentlicht. Zentrale Ziele: Reduzierung des Treibhausgasausstoßes um 50 Prozent bis 2030, um 100 Prozent bis 2050. Dazu gehört ein neues Energiemanagement auf den über fünf Millionen Hektar Land, die der US-Armee weltweit unterstehen samt aller Immobilien. Die Fahrzeugflotte jenseits der Kampfeinheiten soll bis 2035 auf E-Mobilität umgestellt werden.

Und Deutschland? Die Bundeswehr nutzt derzeit circa 1 500 Liegenschaften auf etwa 2,6 Millionen Quadratmetern. Jeder Euro, der hier in thermische Sanierung, erneuerbare – und das heißt auch: autonome – Energieerzeugung investiert wird, zahlt auf das Zwei-Prozent-Ziel ein. Und die Bundeswehr weiß: „Effizientere Energieversorgung, geringerer Energieverbrauch und alternative, klimaneutrale Energieträger reduzieren auch die Abhängigkeit und machen die Streitkräfte durchhaltefähiger.“ Die Bundeswehr kann also ihr Geld nicht nur für Raketen ausgeben, sondern auch für Photovoltaik. Beides ist militärisch sinnvoll, aber beides hat jeweils nur eine Nutzanwendung.

Doppelunterstellungen 

Noch interessanter wird es, wenn es gelingt, Dinge zu beschaffen, die man für kriegerische Auseinandersetzungen benötigt, die man aber auch für friedliche Zwecke einsetzen kann: duale Nutzung. Ein Lazarettschiff beispielsweise oder eine fliegende Intensivstation. Heute im Hinterland eines Krieges eingesetzt, morgen in der Einflugschneise zum Erdbebengebiet. Der Airbus A400M kann diese Funktion erfüllen, ist aber eindeutig der Luftwaffe zugeordnet. Es gäbe auch andere Modelle: Die USA haben Boote, ausgestattet mit Kanone, Maschinengewehren und Hubschrauberlandedeck, die in Friedenszeiten von der US-Coast-Guard geführt werden und dem Homeland-Security-Ministerium unterstellt sind, in Kriegszeiten aber unter das Kommando des Verteidigungsministeriums geraten.

Solche Doppelunterstellungen sind selten, aber kein Einzelfall: So kann die japanische Küstenwache, die in Friedenszeiten dem Verkehrsministerium untersteht, vom Premierminister dem Verteidigungsministerium unterstellt werden. In Deutschland aber ist die Küstenwache der Bundespolizei zugeordnet und streng zivil ausgerichtet. Es geht auch anders: In Italien sind die Carabinieri – rund 100 000 Kräfte – eine Teilstreitkraft des italienischen Militärs, unterstellt dem Ministero della Difesa. Im Alltag allerdings, wenn es um Polizeidienst geht, hat das Innenministerium das Sagen. Das ist kein Unikat: Auch Frankreichs Gendarmerie ist eine Militäreinheit.

Ähnlich die spanische Guardia Civil: Berufssoldaten im Polizeidienst. Das Gehalt kommt vom Verteidigungs-, der Einsatzbefehl vom Innenminister. Und noch etwas fällt in Spanien auf: Es gibt eine 4 000 Soldaten starke Einheit – die Unidad Militar de Emergencias –, die dem Technischen Hilfswerk ähnelt. Alle drei – Guardia, Gendarmerie und Carabinieri – gelten als paramilitärisch: Ihr Sold, ihr Benzin, ihre Kasernen, ihre Pensionen dürfen nach den Standards des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI zur Berechnung der Verteidigungsausgaben für das Zwei-Prozent-Ziel einbezogen werden.

Ein Vorschlag zum Schluss: 50 000 neue Dienstwohnungen würden die Attraktivität des Arbeitgebers Bundeswehr erhöhen und den zivilen Wohnungsmarkt entlasten. Bei 100 Milliarden „Sondervermögen“ sollte auf der Einkaufsliste Platz dafür sein. 

Online Abonnement

Sie erhalten Zugang zur gesamten Website und zur kompletten Monatsausgabe als Web-App.

64,80 €

jährlich

Monatlich kündbar.

Einzelartikel

Sie erhalten Lesezugriff für diesen Artikel.

2,00 €

einmalig

Kein Abo.

Haben Sie bereits ein Online- oder Print-Abo?
* Ihre Kundennummer finden Sie auf Ihrer Rechnung. Ein einmaliges Freischalten reicht aus; Sie erhalten damit zukünftig automatisch Zugang zu allen Artikeln.

Ihre Meinung


Weitere Beiträge zu "Politik"